"Viele Bünde, wenig Reformen": Basis tadelt die (Salzburger) ÖVP

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Die Salzburger ÖVP hat ihre rund 34.000 Mitglieder zum Zustand der gesamten Partei befragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Die Unzufriedenheit ist hoch.

Salzburg. „Ich fühle mich in der ÖVP nicht mehr zu Hause, weil die Partei zu viele potenzielle Parteiobleute hat und daher viele nicht wissen, wofür die Partei steht.“ Das ist nur eine von rund 4000 Stimmen von Salzburger ÖVP-Mitgliedern zum Zustand der Volkspartei. Die Landespartei hat im März – Monate vor dem Obmannwechsel auf Bundesebene von Michael Spindelegger zu Reinhold Mitterlehner – Fragebögen an ihre Mitglieder ausgeschickt, um ein ungeschminktes Bild darüber zu erhalten, was die Basis bewegt, wenn sie an die Partei denkt. Die Befragung ist Teil jenes Prozesses, der im Jahr 2015 mit einem Parteiprogramm für die Salzburger ÖVP abgeschlossen werden soll.

Die Landespartei ist damit der Bundespartei, die kürzlich ihren Programmprozess gestartet hat, um einige Schritte voraus. Sie weiß bereits, was ihre Mitglieder denken. „Wer ehrliche Fragen stellt, bekommt ehrliche Antworten“, fasst Landesgeschäftsführer Wolfgang Mayer das Ergebnis der Umfrage zusammen. Die Meinungen der Mitglieder ließen die Funktionäre allerdings nicht in Jubelrufe ausbrechen. Das Bild wird sehr stark von der Unzufriedenheit mit der Bundespolitik geprägt. Knapp 80 Prozent empfinden den Zustand der ÖVP als gar nicht oder wenig zufriedenstellend. Auf der Notenskala kam die Landespartei mit 2,15 relativ gut weg, die Bundespartei erhielt mit 3,41 ein schlechteres Zeugnis. Mayer glaubt, dass sich die Stimmung nach dem Obmannwechsel etwas gebessert hat.

Knapp 90 Prozent der Befragten attestieren der ÖVP, dass sie keine klare Vorstellung darüber vermittelt, wohin sich Österreich in den nächsten zehn, 15 Jahren entwickeln soll. Auch sonst sparten die Salzburger nicht mit Kritik. Eines freut Mayer daran: „Die Zukunft ihrer Partei ist den Menschen nicht egal.“ Von den rund 34.000 Mitgliedern haben immerhin 4000 die ausgefüllten Blätter zurückgeschickt.

„Zu viele Bestechungsskandale“

Wo sehen die Salzburger die größten Schwachpunkte der ÖVP? Das bündische System, die Arbeit der Bundesebene, die fehlende Umsetzung von Reformen, das Brechen von Wahlversprechen, die mangelnde Attraktivität für die Jugend, die Ostlastigkeit, das Fehlen einer klaren Linie, die Familienpolitik oder fehlende Ehrlichkeit. Ein Mitglied wirft der Partei die „Involvierung in zu viele Bestechungs- und Finanzskandale“ vor, ein anderer bemängelt „abgehobenes, selbstverliebtes Machtgehabe im Bund und in Wien“ und „Klientelpolitik“.

Die schwache Führung ist bei vielen ein Thema, andere ärgert, dass die christlich-sozialen Werte zu kurz kommen. Die bündische Struktur der ÖVP wird von vielen sowohl als Stärke als auch als Schwäche gesehen. Leistung, Wirtschaftskompetenz und Eigentum sind der Basis wichtig. „Ich fühle mich in der ÖVP zu Hause, weil sie mir nicht vorschreibt, wie ich leben soll“, schrieb ein Parteimitglied.

Mahrer zu Gast in Salzburg

Am 11. Oktober wird mit einem Zukunftskongress die nächste Phase des Programmprozesses eingeläutet. Staatssekretär Harald Mahrer, der federführend in den Programmprozess der Bundes-ÖVP eingebunden ist, wird kommen, um die Salzburger Stimmungslage aus erster Hand mitzunehmen. „Wir werden unsere Ergebnisse in Wien stark einbringen“, gibt sich Mayer sehr selbstbewusst. Wie die Positionen der Salzburger bei umstrittenen Themen wie Familien- oder Schulpolitik konkret aussehen, ist noch offen. Die Inhalte sollen in Arbeitsgruppen zu Themen wie Familie, Werte, Wirtschaft, Gesundheit erarbeitet werden. Klar ist aber schon, dass es eine breite Ablehnung für Vermögensteuern gibt.

Die eigentliche Herausforderung werde sein, die Meinungsvielfalt zu berücksichtigen, so Mayer: „Die Zeit einer Politik des erhobenen Zeigefingers ist vorbei.“ Der Parteimanager hält auch für möglich, dass am Ende das Programm der Salzburger ÖVP in manchen Positionen von jenem der Bundespartei abweicht. Dass der Westen selbstbewusst auftritt, hat auch den Rückhalt der Mitglieder: Mehr als 80 Prozent der Befragten begrüßen die Westachse von Salzburg, Tirol und Vorarlberg innerhalb der ÖVP.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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