Neos: Wie eine junge Partei Politik "lernt"

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Vor einem Jahr zog die Partei voller Euphorie ins Parlament ein. Zuletzt aber blieb man unter den Erwartungen. Nun will man die oft wenig erfahrenen Kandidaten besser vorbereiten.

Wien. Es war vor exakt einem Jahr, am 29.September 2013: Einer neuen Partei namens Neos gelingt bei der Nationalratswahl der Einzug ins Parlament. Parteichef Matthias Strolz ist an diesem Abend nicht mehr zu halten: „Für euch Kinder haben wir das gemacht“, ruft er bei der Wahlfeier in den Saal, als er die von Neos-Fans mitgebrachten Kleinen erblickt.

Rund ein Jahr später muss man aber konstatieren, dass die Partei von Strolz selbst an Kinderkrankheiten leidet und in Wahlkämpfen der Unerfahrenheit Tribut zollt. Zwar gelang es, im Nationalrat Fuß zu fassen, wie die Statistik zeigt. 227Redebeiträge kamen von den Pinken, 201 Anträge wurden gestellt, 97 parlamentarische Anfragen eingebracht. Doch in puncto Wahlen fällt die Bilanz durchwachsen aus. Das Ergebnis der Nationalratswahl (fünf Prozent) wurde zwar bei den Urnengängen zum EU-Parlament und zum Vorarlberger Landtag überboten. Doch man blieb unter den Erwartungen. Schließlich fiel nach dem Parlamentseinzug das Argument, dass eine Stimme für die Neos mangels Chancen verschwendet sei, weg. Es war plötzlich en vogue, eine bürgerlich-liberale Partei zu wählen, in Umfragen schnellte die Partei in den zweistelligen Prozentbereich hoch.

Probleme in Diskussionen

Davon blieb man an den Wahlabenden aber klar entfernt. Bei der EU-Wahl erreichte man nur eines statt der erhofften zwei Mandate. Und dass man in Vorarlberg mit nur zwei Abgeordneten den Klubstatus verpasst hat, ist auch ein Wermutstropfen. Symptomatisch: Im Heimatdorf von Matthias Strolz, in Dalaas bekam man bei der Nationalratswahl 39,9 Prozent. Bei der EU-Wahl nur mehr 24,6 und bei der Vorarlberger Landtagswahl zuletzt sogar nur mehr 12,6 Prozent.

Mit ein Grund dafür ist wohl auch die wenig berauschende Performance der Spitzenkandidatinnen in den Wahlkämpfen. Sowohl Angelika Mlinar bei der EU-Wahl als auch Sabine Scheffknecht in Vorarlberg gerieten in Diskussionen ins Straucheln. Und wussten dem politischen Gegner, der die neue pinke Konkurrenz nun schärfer als vor der Nationalratswahl anging, wenig entgegenzusetzen. Ob Wasserprivatisierung (Mlinar) oder Abschaffung der Wohnbauförderung (Scheffknecht) – beide kamen in Debatten in die Defensive. Den Spitzenkandidatinnen gelang es kaum, ihr eigentliches politisches Anliegen hinter diesen Ideen zu erklären. Auch viele der jungen Parteimitarbeiter mussten erst lernen, wie das raue Leben in der Politik wirklich funktioniert.

Umgang mit Kampfrhetorik

Nicht umsonst kündigte Parteichef Matthias Strolz nun an, die Personalenwicklung zu verbessern. Am Neos Lab, der Parteiakademie, werden dafür auch bereits konkrete Pläne geschmiedet. Man wolle die Kandidaten „im Umgang mit Kampfrhetorik“ schulen, verrät Paul Angeli vom Neos Lab im Gespräch mit der „Presse“. Das heiße jetzt nicht, dass man selbst dieses Stilmittel übernehmen möchte, sagt Angeli, der den Themenbereich Weiterbildung an der Akademie verantwortet. Aber man solle wissen, wie man mit Querschüssen politischer Gegner umgeht, meint Angeli, der zuvor etwa beim Wifi in der Erwachsenenbildung tätig war.

„Man muss mehr Zeit und Ressourcen als bisher in Training und Coaching investieren“, konstatiert auch Josef Lentsch, seines Zeichens Direktor des Neos Lab. Es gehe darum „zu lernen, wie man mit Druck umgeht“. Künftig sollen Neos-Spitzenkandidaten bei Wahlen eigens vor und nach jedem Auftritt gecoacht werden. Das Personal dafür will die Parteiakademie bereitstellen, zahlen muss es im Wahlkampf (aus rechtlichen Gründen) aber die Partei selbst.

Abgelehnt wird von den Neos hingegen die Idee, in jedem Bundesland ein bereits polit-erfahrenes Team zusammenzustellen. „Die Bürgerbeteiligung ist Teil unserer DNA“, sagt Lentsch. Auch weiterhin werde man Kandidatenlisten durch ein Vorwahlsystem bestimmen, bei dem auch politisch unerfahrene Bürger die Chance auf ein Mandat haben. Selbst die jetzt im Nationalrat sitzenden Kandidaten werden wieder mit Neueinsteigern um die besten Listenplätze wetteifern müssen, kündigt Lentsch an.

Frühere Vorwahlen kommen

Gleichzeitig will die Partei aber die Vorwahlen künftig zu einem früheren Zeitpunkt durchführen. Damit die dort siegreichen Kandidaten dann doch etwas mehr Zeit haben, sich politisch zu etablieren. Und die Zeit haben, sich für Diskussionen schulen zu lassen.

Wichtig bleibe aber, dass trotz aller Schulungen die Kandidaten authentisch bleiben, betont Lentsch. Denn das werde vom Wähler geschätzt. Selbst, wenn man– wie Angelika Mlinar – nach einer Frage im TV auf Sendung sagt: „Scheiße, das ist echt schwierig“? Nun ja: „Vielleicht ist auch nicht alles, was authentisch ist, auch ideal“, meint Lentsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2014)

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