Wenn Strasser ins Gefängnis muss

PROZESS GEGEN ERNST STRASSER IN DER LOBBYISTENAFF�RE: STRASSER
PROZESS GEGEN ERNST STRASSER IN DER LOBBYISTENAFF�RE: STRASSER(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Am Montag entscheidet sich, ob die wegen Bestechlichkeit verhängte Haftstrafe für Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser hält.

Wird der Schuldspruch bestätigt? Oder finden die Höchstrichter am Montag wieder einen Rechtsfehler im Urteil der ersten Instanz? Schon einmal wurde die in der Cash-for-Law-Affäre ergangene Strafe aufgehoben: Im ersten Prozess wurden gegen Ex-ÖVP-Innenminister Ernst Strasser wegen Bestechlichkeit vier Jahre Haft verhängt, im zweiten dann dreieinhalb Jahre.

Der Expolitiker soll als EU-Parlamentarier von vermeintlichen Lobbyisten (in Wahrheit: Journalisten) 100.000 Euro pro Jahr für die Einflussnahme auf EU-Richtlinien gefordert haben. Strasser bestreitet das. Folgt der OGH diesmal dem Erstgericht (der Senat könnte ja auch die Strafe bedingt nachsehen), muss Strasser hinter Gitter. Für diesen Fall beantwortet „Die Presse“ die wichtigsten Fragen.

1 Ab wann würde Strasser tatsächlich in Haft müssen?

Das Erstgericht („erkennendes Gericht“) – bei Strasser ist es das Straflandesgericht Wien – würde das frühere Mitglied der Bundesregierung per Vollzugsanordnung auffordern, die Strafe anzutreten. In der Regel hat dieser schwere Gang binnen einem Monat zu erfolgen. Ein Haftaufschub wäre aus familiären oder „aus anderen Gründen“ denkbar. Laut Strafvollzugsgesetz zum Beispiel dann, wenn der Aufschub „für das spätere Fortkommen des Verurteilten“ zweckmäßig erscheint. Mehr als maximal ein Jahr lässt sich in einem solchen Fall die Haft aber nicht hinauszögern.

2 Wo müsste Strasser seine Strafe absitzen?

Angetreten wird eine Strafe für gewöhnlich in einem landesgerichtlichen Gefangenenhaus. Im Fall Strassers könnte es – wenn das Urteil hält – jenes in Wien Josefstadt werden. Danach bestimmt die Vollzugsdirektion (VD) binnen sechs Wochen, in welcher Anstalt der Freiheitsentzug letztlich vollzogen wird („Klassifizierung“). Laut Gesetz ist unter anderem „auf die Wesensart des Strafgefangenen, sein Vorleben“ etc. einzugehen. Christian Timm, Vizechef der VD, macht darauf aufmerksam, dass der Wohnsitz des Verurteilten bzw. dessen Lebensmittelpunkt eine große Rolle spiele.

Strasser ist gebürtiger Oberösterreicher (Geburtsort: Grieskirchen, Jahrgang 1956). Zuletzt wurde bekannt, dass er zurückgezogen in Bad Ischl lebt. Geht man von diesem Wohnsitz aus, könnten es zum Beispiel die oberösterreichischen Vollzugsanstalten Suben oder Garsten werden. Nimmt man an, dass Strasser – als früheres Mitglied der österreichischen Bundesregierung – Bezugspunkte zu Wien hat, so könnte es die Strafanstalt Wien Simmering werden. Diese ist (laut ihrer Homepage) für ihren – „zur Förderung der sozialen Fähigkeiten“ eingerichteten – Wohngruppenvollzug bekannt. Das heißt, 15 bis 20 Leute kommen innerhalb einer Einheit tagsüber zusammen. Geschlafen wird meist in Hafträumen mit Zweier-, Dreier- oder Viererbelegung.

3 Was könnte Strasser als Gefangener arbeiten?

Dies bestimmt der Anstaltsleiter. Immer wieder werden Systemerhalter gebraucht, die dann putzen, waschen oder kochen. Geht man davon aus, dass es Wien Simmering wird, könnte zum Beispiel auch ein Job in der Bibliothek möglich sein. Ein früherer Leiter der Anstalt Simmering hatte einen prominenten Häftling seinerzeit als Archivar eingesetzt und ihm die Aufgabe übertragen, die Entstehungsgeschichte der Anstalt (diese war früher die berüchtigte Erziehungsanstalt Kaiserebersdorf) für eine Ausstellung aufzuarbeiten. Auch Freigänger, also Häftlinge, die tagsüber außerhalb der Anstalt arbeiten und abends zum Schlafen „einrücken“, sind in Simmering keine Seltenheit.

4 Wie sieht es mit einer vorzeitig bedingten Entlassung aus?

Sollte der Schuldspruch bestätigt werden und der einstige Innenminister (Amtszeit 2000 bis 2004) „einsitzen“ müssen, wäre ihm nach der Hälfte der Gefängniszeit – geht man von den erstinstanzlich verhängten dreieinhalb Jahren (42 Monate) Haft aus, liegt die Hälfte bei 21 Monaten – der Rest der Strafe bedingt nachzusehen, unter Setzung einer Probezeit. Voraussetzung einer bedingten Entlassung: eine positive Prognose. Das Vollzugsgericht muss annehmen, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abgehalten wird als durch die weitere Verbüßung der Strafe. Noch günstiger sieht es für Gefangene nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe aus. Ab diesem Punkt dürfen generalpräventive Erwägungen (Abschreckung der Gesellschaft) kein Grund mehr sein, einen Häftling anzuhalten.

5 Kommt auch Hausarrest plus Fußfessel infrage?

Diese wurde im Ersturteil für die erste Hälfte der Strafe ausgeschlossen. Übernimmt der OGH dies, kommt Strasser um mindestens 21Monate „sitzen“ nicht herum. Danach könnte er die Umwandlung eines Teils der restlichen Gefängnisstrafe in elektronisch überwachten Hausarrest beantragen. Mehr als ein Jahr Fußfessel ist allerdings nicht erlaubt. Wer eine Fußfessel bekommt, entscheidet der Anstaltsleiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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