Werner Faymann wird neuer SP-Parteichef

(c) APA (Robert Jäger)
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Der Infrastrukturminister wird geschäftsführender Parteichef, Alfred Gusenbauer bleibt Kanzler. Auch die beiden Geschäftsführer Kalina und Winterauer müssen gehen.

Mit einer neuen Rollenverteilung versucht die SPÖ, ihrer gegenwärtigen Krisen zu entkommen. Die Geschäfte der Partei soll ab sofort Infrastrukturminister Werner Faymann führen, Alfred Gusenbauer darf, zumindest vorerst, Bundeskanzler bleiben. Auch die beiden Bundesgeschäftsführer Josef Kalina und Reinhard Winterauer müssen gehen. Ihnen folgt Ministerin Doris Bures nach. Das ist das Ergebnis der Präsidiumssitzung am Montag.

Faymann selbst bestätigte beim Verlassen der SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße diese Entscheidung des Präsidiums. "Gusenbauer wird Bundeskanzler bleiben, und ich sehe ihn auch als Spitzenkandidat für die nächsten Wahlen", entkräftete er Gerüchte, dass er auch das Kanzleramt übernehmen könnte. Fix ist dafür, dass Doris Bures von ihren Ministerämtern (Frauen, Beamten und Medien) zurücktreten wird, um sich ganz ihrem alten, neuen Amt als Bundesgeschäftsführerin zu widmen, welches sie bereits von 2000 bis 2006 inne gehabt hatte. Wer ihr als Ministerin nachfolgen wird, ist noch offen.

Beim Parteitag im Oktober soll Faymann zum ordentlichen Parteichef gewählt werden. Der Kanzler versicherte gegenüber Journalisten, er selbst habe die Doppelspitze vorgeschlagen. Angesichts der Situation der Partei habe er seine Bedenken gegen eine Ämtertrennung verworfen, sagte Gusenbauer. Der Frage, ob auch er selbst sich um eine Parteifunktion bewerben, oder ob er ab Oktober "einfaches Parteimitglied" sein wird, ließ Gusenbauer offen: "Das ist eine charmante Formulierung."

Gusenbauers trügerische Gefühle

Vor der Sitzung des SP-Parteipräsidiums am Montagvormittag hatte der Bundeskanzler und damals noch SP-Chef Gusenbauer erklärt, er gehe "wie immer mit positiven und konstruktiven Gefühlen" in die Sitzung. Erste Hinweise, dass doch nicht alles so glatt gehen könnte, gab es jedoch bald. Eine ursprünglich für 12.30 Uhr geplante Pressekonferenz wurde zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Kurz vor 15 Uhr war es dann so weit, Gusenbauers Ablöse an der Parteispitze wurde offiziell bekanntgegeben.

"Sie können mir glauben, dass heute in der Früh alle Beteiligten einigermaßen überrascht waren", sagte der Kanzler bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Nachfolger an der Parteispitze, Werner Faymann, und der scheidenden Frauenministerin Doris Bures. Letztere wirkte denn auch gezeichnet und kämpfte zum Auftakt der Pressekonferenz sichtlich mit den Tränen.

Die Umstellungen seien eine "Verstärkung" seines Teams, erklärte der Kanzler. Mit Bures habe er eine seiner "besten Ministerinnen" ersucht, der Partei als Geschäftsführerin zu helfen. Bures selbst sagte, sie werde in Zukunft das von der SPÖ Erreichte "deutlicher aufzeigen" und auch herausstreichen, "was wir in Zukunft noch vorhaben". Sie habe sich noch nie vor der Verantwortung gedrückt, sagte die scheidende Frauenministerin, daher werde sie sich "mit großer Freude und Engagement" um die SPÖ kümmern.

Faymann will Profil schärfen

Sein Nachfolger an der Parteispitze kündigte am Montag an, dass die SPÖ unter seiner Führung nun sehr rasch ihre Positionen "einschärfen" werde. Als Schwerpunkte nannte er die Gesundheitsreform, die Ablehnung der Pensionsautomatik und die Beschäftigungspolitik. Er will außerdem die innerparteiliche Diskussion stärken und für eine bessere Abstimmung zwischen Partei und Gewerkschaft sorgen. Schließlich sei die SPÖ auf die Mitarbeit der Betriebsräte angewiesen.

Außerdem kündigte Faymann eine Initiative gegen die Teuerung an sowie einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Mittelschicht bei der Steuerreform. Er verwies darauf, dass man wegen der guten Beschäftigungslage entsprechende budgetäre Spielräume habe. "Die Sozialdemokratie ist mit ihren Themen richtig aufgestellt", so Faymann. Außerdem trete auch der ÖVP-Arbeitnehmerflügel für eine Verlängerung der Hacklerregelung ohne gleichzeitige Einführung einer Pensionsautomatik ein.

Lob von Voves

Ausdrücklich begrüßt wurde die Installierung eines Führungsduos an der Parteispitze vom steirischen Landeshauptmann Franz Voves. Er stehe voll hinter dem Bundeskanzler, der sich nun noch stärker auf die Regierungsarbeit konzentrieren könne, sagte Voves in einer ersten Stellungnahme. Mit dem neuen geschäftsführenden Parteivorsitzenden Werner Faymann werde Alfred Gusenbauer eine "starke Achse" bilden.

Noch am Vormittag hatte Voves Personalrochaden ausgeschlossen. In der Sitzung am Montag solle es "um Inhalte" gehen, eine Personaldiskussion solle erst "in den nächsten Wochen" stattfinden, wurde Voves im Ö1-"Mittagsjournal" zitiert.

Vizekanzler und VP-Chef Wilhelm Molterer hat am Montagnachmittag demonstrativ zurückhaltend auf die vom SP-Präsidium eingeleiteten Personalrochaden reagiert. Die SP-Entscheidung, soweit sie ihm bis jetzt bekannt seien, löse "das Problem der SPÖ nicht, wie es Verkehrsminister Werner Faymann in einem Zeitungsinterview geschildert hat", sagte Molterer. Er nahm damit auf eine Aussage Faymanns Bezug, in der dieser gesagt hatte, die SPÖ habe den Umstieg von der Opposition in die Regierung nie wirklich geschafft.

"Ich werde zusammen mit meinen Freunden diese Situation neu bewerten und danach zu dieser Bewertung Stellung nehmen", sagte Molterer am Rande eines Treffens mit seinem deutschen Amtskollegen Peer Steinbrück. VP-Generalsekretär Hannes Missethon bemühte indes originellerweise eine Fußball-Analogie, um seiner Skepsis Ausdruck zu verleihen. Nun sei "ein weiterer Mitspieler am Feld" und die Situation dadurch "noch unklarer", ließ Missethon in einer Aussendung wissen.

Opposition kritisiert "verzweifelte Entscheidung"

Kritik an der Vorgehensweise der Regierungspartei kommt erwartungsgemäß auch von der Opposition. Die Grünen sehen "keine Erneuerung, sondern mehr Alt-Establishment, mehr Abgehobenheit" an der Spitze der SPÖ. Bundesgeschäftsführerin Michaela Sburny diagnostizierte den "Anfang vom Ende dvon Gusenbauers Kanzlerschaft". Sie sieht aber "keine erneuerung an der SPÖ-Spitze, sondern mehr Alt-Establishment, mehr Abgehobenheit". Sburny stellte fest: "Dies ist der Anfang vom Ende von Gusenbauers Kanzlerschaft. Die Krise in der SPÖ ist mit der neuen Doppelführung zu einer Dauerkrise der SPÖ und der Regierung insgesamt erklärt worden."

"Marionettenkanzler mit Ablaufdatum"

BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz sprach am Montagnachmittag in einer Aussendung von einer "verzweifelten Entscheidung" der SPÖ, die sich für eine "scheibchenweise Hinrichtung ihres Parteichefs" entschieden habe. Mit Gusenbauer habe man nun einen "Marionettenkanzler mit Ablaufdatum".

FP-Chef Heinz-Christian Strache sah in dem Schritt des Präsidiums eine "tiefe Demütigung Gusenbauers" sowie "eine Prolongierung des Leidens, aber keine Lösung". Anstatt neue Wege zu beschreiten installiere man "den nächsten Apparatschik".

Innerparteilich zeigte man sich zufrieden. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, die aufgrund ihrer Kritik an den parteiinternen Kommunikationswegen unter Gusenbauer ihren stellvertretenden Bundesparteivorsitz vor wenigen Tagen zurückgelegt hatte, erklärte: "Durch die Bestellung eines geschäftsführenden SPÖ-Parteivorsitzenden erwarte ich mir eine intensivere politische Abstimmung bei zentralen Reformthemen. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wird sich stärker seiner zentralen Koordinierungsfunktion in der Bundesregierung widmen." Ihre Ankündigung, am Parteitag nicht mehr als stellvertretende Bundesparteivorsitzende anzutreten, gelte weiterhin.

(APA/Red.)

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