SPÖ will „Ethikunterricht für alle“

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Bildungssprecher Niederwieser fordert Kürzung des Religions-unterrichts auf eine Stunde.

WIEN. Ethikunterricht ja, aber Ethikunterricht für alle: Nach dieser Devise steigt SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser nun in die Kontroverse um die Einführung dieses neuen Unterrichtsgegenstandes ein. „Man kann nicht ein Gesetz machen, nach dem nur jene in den Genuss des Ethikunterrichts kommen, die zuvor den Besuch von Religion verweigern“, sagt Niederwieser im Gespräch mit der „Presse“.

Damit bezieht sich der SPÖ-Politiker auf den Vorstoß von ÖVP-Bildungssprecher Fritz Neugebauer vom 8. April. An diesem Tag präsentierte Neugebauer in der „Presse“ eine bereits als Gesetzestext ausgefertigte Novelle zum Schulorganisationsgesetz (SchOG), in der für alle, die Religion nicht besuchen (entweder Schüler ohne Religionsbekenntnis oder auch einfache Abmeldung) der Ethikunterricht zwingend vorgeschrieben wird. Ethik sozusagen als vorgeschriebene Alternative zu Religion.

Während die ÖVP-Seite ihre Ethik-Gesetzesinitiative für die SPÖ und auch für Unterrichtsministerin Claudia Schmied überraschend vorgelegt hatte, informierte Niederwieser erst einmal den Koalitionspartner über seinen Vorstoß. Über die Reaktion Neugebauers will Niederwieser nicht sprechen, sie dürfte äußerst abweisend gewesen sein. Allerdings wurde für den Oktober eine parlamentarische Enquete zu diesem Thema vereinbart, zu der auch in- und ausländische Experten eingeladen werden sollen.

Das SPÖ-Konzept sieht für den Ethikunterricht ein eigenes Lehramtsstudium vor, das ähnlich der Philosophie in geringerem Umfang konzipiert sein könnte. Ein bloßer Zusatzkurs sei allerdings zu wenig. Die Frage, in welchen Klassen „Ethik für alle“ angeboten werden soll, ist noch offen. „In der Oberstufe kann man interessant diskutieren“, sagt Niederwieser, „aber die Jugend wird in einem früheren Alter hinsichtlich der allgemeinen Werte geprägt.“ Also sollte es Ethik ab der Hauptschule bzw. AHS-Unterstufe geben.

Auch das Schulgesetz sieht eine allgemeine Werte-Erziehung für alle Klassen vor. „Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken“, heißt es in Paragraf 2 des SchOG.

Religion soll bleiben

Niederwieser denkt nicht an eine Abschaffung des Religionsunterrichts. Er will vielmehr eine Kürzung von zwei auf eine Wochenstunde. Da man die Unterrichtszeit realistischer Weise nicht ausweiten könne, soll eine der beiden Religionsstunden für Ethik genommen werden. Da sollte man mit den Religionsgemeinschaften „vernünftig reden und zu einer Lösung kommen“. Das Konkordat mit dem Vatikan sei davon unberührt.

Eher verschreckte Reaktionen gab es vor wenigen Tagen, als der Linzer Finanzstadtrat Johann Mayr (SPÖ) vorgeschlagen hatte, Religion zum Freifach zu erklären und auf den Nachmittag zu verlegen. Der oberösterreichische Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer (ÖVP) verwies auf die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Demnach bewerten in einer Umfrage mehr als 70 Prozent der Oberösterreicher den Religionsunterricht als wichtig oder sehr wichtig, 21 Prozent halten ihn für weniger wichtig oder unwichtig.

In Schulbelangen sieht Niederwieser derzeit ein entspanntes Koalitionsklima. Im Juli wollen SPÖ und ÖVP eine SchOG-Novelle mit der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl und die „Lehre mit Matura“ beschließen.

DER SCHULVERSUCH

Seit 1997/98 gibt es – neben dem Religionsunterricht – den Schulversuch Ethik, derzeit an 139 der 1065 mittleren und höheren Schulen (an den Pflichtschulen ist dieser Schulversuch nicht vorgesehen). Angesichts der steigenden Zahl an Abmeldungen vom herkömmlichen Religionsunterricht hatte man sich auf diese Variante geeinigt.

Die ÖVP preschte am 8. April mit einem ausgefertigten Gesetzestext zum Ethikunterricht vor, jetzt kontert die SPÖ mit ihrer Variante.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2008)

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