Bawag-Prozess: Die Strafen, die sein mussten

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Neun Schuldsprüche. Neuneinhalb Jahre Gefängnis für Helmut Elsner. Alle bis auf Flöttl haben bereits Rechtsmittel angekündigt.

Neuneinhalb Jahre Haft für Helmut Elsner. Fast die Höchststrafe. Maximal zehn Jahre wären möglich gewesen – bei „Untreue“, dem Verbrechen, das der Verurteilung zugrunde liegt. Neuneinhalb Jahre Gefängnis. Eine zu strenge Strafe für einen Bankdirektor, der nur das tat, was alle Bankdirektoren tun, nämlich spekulieren bzw. spekulieren lassen? Wenn's so einfach wäre. Das Ausmaß der Schuld – und nur darauf kommt es bei der Strafbemessung an – geht (zumindest laut dem nun vorliegenden Urteil) weit über das „ganz normale“ Spekulieren hinaus.

Elsner war schon Anfang der 90er-Jahre in die erste Serie der Bawag-Karibik-Geschäfte involviert. Damals verzichtete die Republik inkonsequenterweise auf eine Anklage, weil keine Verluste sondern Gewinne gemacht wurden. Elsner intensivierte die Kontakte zum Spekulanten Wolfgang Flöttl, dem Sohn seines damaligen Chefs, Bawag-General Walter Flöttl. Und stieg, als er selbst das Ruder der Bawag übernahm, groß in die Karibik-Deals ein. Das war 1995. Elsner und Flöttl junior führten – so heißt es nun treffend in der Urteilsbegründung – eine „symbiotische Beziehung“. Hier der Geldbeschaffer, dort der Investor. Doch man verlor. Immer neue Spekulationen folgten. Die waren nicht „ganz normal“, die waren so riskant, dass Staatsanwalt und Gericht von Kasinobesuchen sprachen. Im Jahr 2000 war alles vorbei. Ohne ÖGB-Garantie hätte die Bawag nicht mehr bilanzieren können. Elsner hatte bis dahin 1,72 Milliarden Euro Schaden angerichtet. So lautet die angeklagte und nun vom Gericht voll übernommene Schadenssumme.

Helmut Elsner, der Mann, der laut Schöffensenat seine Verfügungsbefugnis über fremdes Vermögen (Bankgeld) wissentlich missbraucht. Helmut Elsner, der Mann, der mit Schädigungsvorsatz handelt, also in Kauf nimmt, dass verloren wird. Und das ein halbes Jahrzehnt hindurch.

Auch noch schwerer Betrug

Schließlich gesellt sich zur Untreue schwerer Betrug. Das tut (auch rein optisch) weh. Elsner habe den Bawag-Aufsichtsrat über die prekäre Lage der Bank getäuscht und sich seine Pensionsabfertigung erschlichen. Diese, 6,8 Mio. Euro, muss der 73-Jährige laut Urteil zurückzahlen. Nimmt man all dies als gegeben an, sind neuneinhalb Jahre Haft nicht drakonisch, sondern (in Ansehung des Strafrahmens) einfach nur angemessen.

Stimmen die Relationen? Elsners Nachfolger Johann Zwettler bekam deutlich weniger, „nur“ fünf Jahre Gefängnis. Er war auch nie treibende Kraft. Aber er war dabei. Elsner gesteht nichts. Gar nichts. Das wirkt sich erschwerend aus. Zwettler gesteht teilweise. Das wirkt mildernd.

Elsners rechte Hand, Peter Nakowitz, war loyal. Kein Wunder, verdankte er doch seinen Aufstieg in den Bawag-Vorstand keinem anderen als Helmut Elsner. Bei den Karibik-Deals hätte die Loyalität enden müssen. Tat sie nicht: vier Jahre Haft. Das ist wenig, bei einer Untreue-Schadenssumme von mehr als einer Milliarde Euro.

Die Vorstände Kreuch und Schwarzecker waren schlecht informiert. Aber eben Vorstände. Sie unterschrieben heikle Vorstandsprotokolle, trugen Verantwortung (und bezogen Vorstandsgagen). An ihnen wollte das Gericht mit je dreieinhalb Jahren Haft ein Exempel statuieren: Wer in einem Bankvorstand sitzt, hat Rechte, aber auch (Kontroll-)Pflichten.

Und warum kommt Flöttl so billig davon? Er half, den Kriminalfall „Bawag“ aufzuklären, legte ein Teilgeständnis ab und hat nur 97 Mio. Euro Schadenssumme zu verantworten. Seine 30 Monate teilbedingt sind daher zwar vertretbar, aber doch sehr milde.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Alle, bis auf Flöttl (er erbat Bedenkzeit) haben Rechtsmittel angekündigt. Elsner wird, falls die Strafe hält, seine bald eineinhalbjährige U-Haft angerechnet. Außerdem erhielt er bereits zweieinhalb Jahre Strafhaft wegen eines verschenkten Bawag-Kredits. Wird diese Strafe rechtmäßig, so muss die nächste Instanz ein Gesamtpaket schnüren. Mehr als zehn Jahre dürfen es nicht werden. Frühestens nach der Hälfte einer Haftstrafe kommt eine bedingte Entlassung in Frage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2008)

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