Benzin im Rachen, Stiletto im Kopf: Die Zombies der modernen Welt

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Künstlergruppe Rem:Brand inszeniert Prominente als Zombies. Und stellt die Frage, wie ferngesteuert wir eigentlich sind.

Reinhard Nowak faltet mit glasigen Augen unter einem Heiligenschein aus Geld die Hände, Werner Sobotka hängt weggetreten an der Fernbedienung. Christian Clerici schüttet sich gierig Benzin in den Rachen und Death-Metal-Sänger Martin Schirenc beißt in einen Burger, gefüllt mit seiner eigenen Hand. Willkommen in der Welt der Zombies – oder auch nur des westlichen Konsums. Insgesamt 14 Prominente hat die Künstlergruppe Rem:Brand solcherart zu Zombies gemacht. Die Protagonisten agieren dabei durchaus selbstkritisch. „Wir haben versucht, Themen aus dem jeweiligen Wirkungskreis der Person anzusprechen“, sagt Robert Saringer, Teil der vierköpfigen Gruppe und Koordinator des Projekts.

Die Bilder sind dabei nur einer von drei Bausteinen von „ZomBe“: Daneben gibt es auch noch Texte von Rem:Brand-Schriftsteller Harald Darer–und von den Fotografierten selbst. Prämisse sei immer gewesen, dass die Prominenten hinter der Idee stehen, sagt Saringer, „und nicht nur mal Zombie sein wollen“. Nicht wenige hätten sich freiwillig gemeldet, nur um aufs Bild zu kommen. Sie wurden freundlich abgewiesen.

Geblieben sind etwa Klaus Werner-Lobo, Manuel Rubey oder das Kabarettduo Heilbutt & Rosen. Kurt Palm hängt auf einem Bild mit blutigem T-Shirt am geldgefüllten Tropf. Ruth Brauer-Kvam bohrt sich brüllend mit einem Stiletto ein Loch in den Kopf, eine dem Schönheitswahn verfallene Angelika Niedetzky stößt sich Injektionen in die Lippen und ein Skalpell in den Bauch. „Das Gute war“, sagt Saringer, „sie hatten alle keine Scheu, sich selbst so darzustellen. Obwohl jeder weiß, dass zum Beispiel Christian Clerici als Rennfahrer jede Menge Benzin verbläst.“

Viele durchdiskutierte Nächte

Fotografiert wurden dabei alle in natura, erst die Nachbearbeitung verwandelte sie in grau-zerschundene Untote. Apropos: Just am Nebentisch diskutiert an diesem Vormittag eine Gruppe mit Kleinkind die Zombie-Horrorkomödie „Shaun of the Dead“. Saringer wundert sich nicht. „Zombies sind ein ziemlich allgegenwärtiges Thema, sie sind mitten in der Gesellschaft angekommen.“

Dabei wollten sich die vier Künstler gar nicht nach einem Modetrend richten, als sie vor drei Jahren mit ihrem Projekt begonnen haben. „Wir finden einfach, dass Zombies extrem das versinnbildlichen, was wir ausdrücken wollen.“ Entstanden ist „ZomBe“ in vielen durchdiskutierten Nächten. Am Anfang standen vier Freunde mit unterschiedlicher Profession: Autor Harald Darer, Musiker Martin Nero, Simon Jappel als Grafiker und Fotograf und Saringer selbst, der fotografiert und koordiniert. Der gebürtige Kärntner ist Kommunikationswissenschaftler und Kulturmanager, hat etwa den Theatersommer Klagenfurt oder die Architekturaktion Open House mitbegründet. Kennengelernt haben sich die vier Künstler vor allem über Bands, in denen sie in verschiedenen Formationen spielten. Die Bands gibt es alle nicht mehr, die gemeinsamen Fragen schon. Jene, die sie hier bewegt, ist die des Fremdgesteuertseins. „Wie sehr werden die Menschen reguliert, in Bahnen gelenkt? Sind wir noch frei, oder schon hirntot? Jemand, der nicht mehr empfindet, sondern nur noch giert?“ Oder anders formuliert: Unterscheidet sich der heutige Mensch noch von den Zombies George R. Romeros, der seinen Klassiker „Dawn of the Dead“ an einem exemplarischen Ort des ausgehenden 20.Jahrhunderts spielen lies – dem Einkaufszentrum?

Im Katalog wechseln sich die Bilder mit Fotos der Mariahilfer Straße zur Weihnachtseinkaufszeit ab. „Halt die Kamera drauf, geh mit der Post-Production drüber – und du hast einen Zombiefilm“, sagt Saringer trocken. „Es geht nur ums Kaufen, Kaufen, Kaufen. Sachen, die kein Mensch braucht, Geschenke, die keiner haben will.“

Erhobenen Zeigefinger wollen Rem:Brand keinen zeigen. „Wir sind genauso Teil davon, wir haben auch keine Verbesserungsvorschläge. Unser Antrieb war, ein Abbild zu schaffen, und vielleicht eine Diskussionsplattform.“ Heute Abend zur Vernissage in der Wiener Galerie Kandinsky plant das Quartett eine einmalige Performance, mit Lesung von Darer und Musik. Klingt harmlos, wird es aber wohl nicht. „Wir wollen ein intensives Gefühl vermitteln“, sagt Saringer. „Es soll wehtun.“
Rem:Brand: „ZomBe“, Vernissage heute um 19 Uhr, Galerie Kandinsky. Zu sehen bis 31. Oktober.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2014)

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