Sieg für FPÖ/BZÖ - SPÖ/ÖVP auf historischem Tiefstand

Die Sieger: Heinz-Christian Strache, Jörg Haider
Die Sieger: Heinz-Christian Strache, Jörg HaiderDie Presse (Clemens Fabry)
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Das BZÖ überholt die Grünen und verdreifacht seine Stimmen beinahe. Die FPÖ legt massiv zu. Die SPÖ verliert, liegt aber klar vor der ÖVP, die stark einbricht.

Österreich hat gewählt - und das vorläufige Endergebnis der Wahl 08 steht fest: Sowohl SPÖ als auch ÖVP müssen im Vergleich zur Nationalratswahl 2006 deutliche Verluste hinnehmen. Die SPÖ verliert rund sechs Prozentpunkte und kommt auf 29,71 %. Die ÖVP stürzt mit einem Verlust von rund neun Prozentpunkten geradezu ab und kommt nur noch auf 25,61 %. Für beide ehemalige Großparteien stellt dies das schlechteste Wahlergebnis seit 1945 dar.

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SP-Chef Werner Faymann
SP-Chef Werner FaymannEPA (Klaus Techt)
VP-Chef Wilhelm Molterer
VP-Chef Wilhelm MoltererAPA (Herbert P. Oczeret)

Damit hat also die SPÖ unter ihrem neuen Spitzenkandidaten Werner Faymann gegenüber der ÖVP unter Wilhelm Molterer die Nase klar vorn. Das dürfte SPÖ-intern trotz der Verluste für Genugtuung sorgen und könnte ÖVP-intern Molterer möglicherweise den Job als Parteichef kosten. Molterer meinte zum Ergebnis, das sei "eine klare Niederlage für die bisherige Art, wie in Österreich von zwei Parteien Politik gemacht wurde".

Bitter für die Bürgerlichen, lagen sie doch noch zum Zeitpunkt der von Molterer betriebenen Regierungsauflösung im Juli in Umfragen klar voran. Die Sozialdemokraten stellten aufgrund des Ergebnisses auch umgehend den Kanzler-Anspruch und werden als stärkste Partei traditionell wohl auch mit der Regierungsbildung beauftragt werden.

FPÖ und BZÖ legen stark zu

Klarer Wahlsieger ist die doppelt vertretene Rechte: Die FPÖ unter Heinz-Christian Strache konnte mit rund sieben Prozentpunkten massiv zulegen und kommt mit 18,01 % auf Platz drei. In Wien etwa liegt die FPÖ mit 21,4 % sogar hinter der SPÖ auf Platz zwei.

BZÖ-Chef Jörg Haider
BZÖ-Chef Jörg HaiderAP (Lilli Strauss)

Die eigentliche Überraschung liefert aber das BZÖ unter dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider: Es kann seinen Stimmenanteil fast verdreifachen und kommt auf 10,98 % (plus sieben Prozentpunkte gegenüber 2006). Damit überholte das BZÖ entgegen allen Erwartungen sogar die Grünen.

Jörg Haider zeigte sich erfreut: "Für uns ist das ein Traum". Man sei "wider Erwarten der große Sieger" der Wahl, eine Verdreifachung eines Ergebnisses bei einer Nationalratswahl sei "ein neuer Rekord in Österreich", meinte der Kärntner Landeshauptmann. Und - an die Adresse der aufgelösten Regierung: "Die Große Koalition ist tot".

Würden FPÖ und BZÖ wieder zusammengehen, kämen sie damit gemeinsam nur auf rund 32.000 Stimmen weniger wie die SPÖ. Ein theoretisches Szenario, zumindest derzeit. FPÖ-Generalsekretär Vilimsky hat denn auch das BZÖ als Partner für seine Partei neuerlich klar ausgeschlossen. Auch FPÖ-Chef Strache bestätigte diese Linie in der Zeit im Bild 1.

Grüne hinter BZÖ

Grünen-Chef Alexander van der Bellen
Grünen-Chef Alexander van der BellenAP (Ronald Zak)

Die Grünen – 2006 noch ganz knapp vor der FPÖ auf Platz drei – werden von den Freiheitlichen mehr als deutlich und auch vom BZÖ überholt. Mit einem Ergebnis von 9,79 % verlieren sie gegenüber 2006. Das Antreten des Liberalen Forums dürfte da wohl auch mitgespielt und den Grünen Stimmen gekostet haben.

LiF und Dinkhauser scheitern

Das vor der Wahl wiederbelebte Liberale Forum (LiF) unter Heide Schmidt schafft den Parlaments-Einzug nicht. Mit nur etwa 1,91 % verfehlt das LiF die Vier-Prozent-Hürde mehr als klar. Alle anderen angetretenen Kleinparteien bleiben deutlich unter dieser Marke.

Fritz Dinkhauser
Fritz DinkhauserAPA (Andreas Pessenlehner)

Fritz Dinkhauser blieb – im Gegensatz zu seinem Erfolg bei der Tiroler Landtagswahl – hinter dem LiF und konnte bundesweit offenbar nicht überzeugen. Seine Liste kam auf 1,77 %. Die KPÖ kam auf 0,77 %, "Rettet Österreich" auf 0,72 %; die "Christen" auf 0,63 %.

Schon wieder Große Koalition?

Liebhaber der Großen Koalition: Bundespräsident Fischer
Liebhaber der Großen Koalition: Bundespräsident FischerIsabelle Saurer

Wirft man einen Blick auf die Mandatsverteilung, dann zeigt sich, dass rechnerisch zwei Zweierkoalitionen möglich sein könnten: Eine weitere Neuauflage von Rot-Schwarz (108 Mandate) und ganz knapp eine Koalition aus SPÖ und FPÖ (93 Mandate). Eine Mitte-Rechts-Dreierkoalition aus ÖVP-FPÖ-BZÖ hätte eine bequeme Mehrheit von 106 Mandaten.

SP-Chef Werner Faymann und SP-Klubobmann Cap bekräftigten am Wahltag erneut, dass es keine Koalition mit FPÖ oder BZÖ geben werde. Als erstes will Faymann mit der ÖVP verhandeln.

Bundespräsident Heinz Fischer plädierte für eine "stabile Regierung" und ließ damit durchblicken, dass er offenbar sein Faible für die gescheiterte Koalition aus SPÖ und ÖVP noch immer nicht verloren hat. Auch die Stellungnahmen aus SPÖ und ÖVP deuten zumindest auf den Versuch eines Neuanlaufs in diese Richtung hin.

Verschiebung durch Wahlkarten?

Die per Wahlkarten abgegebenen Stimmen können – wie schon bei vergangenen Wahlen - durchaus noch für Veränderungen sorgen. 2006 verhalfen die per Wahlkarte abgegebenen Stimmen den Grünen, die am Wahlsonntag noch knapp hinter der FPÖ lagen, zum dritten Platz - und verschoben ein Mandat vom BZÖ zu den Grünen. 2002 verlor die FPÖ durch die Wahlkarten ein Mandat zugunsten der Grünen.

Durch die neue Briefwahl gab es heuer eine beträchtliche Zunahme bei den Wahlkarten, was Unsicherheit in Hinblick auf das endgültige Ergebnis bedeutet. Insgesamt wurden diesmal rund 587.000 Wahlkarten ausgestellt (2006: rund 417.000).

Eine ORF-Prognose vom Sonntag abend für das Wahlergebnis unter Berücksichtigung der Wahlkarten zeigt, dass noch ein Mandat von der FPÖ zu den Grünen wandern könnte. Auch das Rennen zwischen BZÖ und Grünen um Platz vier könnte noch einmal knapp werden.

Endergebnis steht erst am 6. Oktober fest

Die Wahlkarten werden heuer - mit der ersten Anwendung der Briefwahl - nicht nur in zwei, sondern in drei Tranchen ausgezählt. Die im eigenen Wahlkreis abgegebenen Karten sind schon im vorläufigen, noch heute bekannt gegebenen Endergebnis enthalten.

Kommenden Dienstag gibt es erstmals eine Zwischenauswertung: Da müssen die Bezirkswahlbehörden die bis dahin eingelangten Briefwahl-Stimmen auszählen. Definitiv feststehen wird der Ausgang der Nationalratswahl aber erst am 6. Oktober abends: Denn bis zu diesem Montag, 14.00 Uhr, müssen die letzten Briefwahl-Stimmen eingelangt sein und werden dann ausgezählt.

(Red.)

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