Ein Rechtsruck, der (noch) keiner war

FP-Chef Heinz-Christian Strache
FP-Chef Heinz-Christian Strache(c) Reuters (Dominic Ebenbichler)
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Europaweit geißeln die Medien das Ergebnis der Nationalratswahlen als "Rechtsruck", der "schlimmer als alle Befürchtungen" ausgefallen sei. Ein unzulässiger Trugschluss, denn die Gefahren lauern anderswo.

18,01 Prozent für die FPÖ, 10,98 Prozent für das BZÖ - ergibt zusammen 28,99 Prozent der Stimmen für die heimischen Rechten. Grund genug etwa für das Nachrichtenmagazin "profil", die aktuelle Ausgabe mit einem schwarzen Cover geziert von "Sieg ....!" in Frakturschrift auszustatten. Und Grund genug, dass in Österreich am Tag nach der Wahl viel von "Genieren", von "Bedenken" und von einem "Trauerspiel" die Rede ist. Auch die internationale Medienlandschaft lässt kaum eine Gelegenheit aus, den "Rechtsruck" in Österreich zu thematisieren.

Demgegenüber stehen zwar zahllose Experten, die ins Feld führen, dass eine Stimme für einen der beiden Rechtspopulisten, sei es FP-Chef Heinz-Christian Strache oder sein politischer Ziehvater und nunmehriger Erzfeind Jörg Haider, nicht unbedingt Ausdruck einer rechten Gesinnung gewesen ist. Einzig: Mit einem "Rechtsruck" imTitel ist mehr Quote zu machen als mit einer unaufgeregten (aber eher der Realität entsprechenden) "Protestwahl".

Protest statt rechte Ideologie

Denn es war - zumindest in einem Großteil der Fälle - der Protest gegen die innenpolitische Blockade, welche die Regierung Gusenbauer von Beginn an geprägt hat, der die Wähler in Scharen Weg von Rot und Schwarz und hin zu Blau und Orange getrieben hat. Warum das so war und - vor allem aus Sicht von SPÖ und ÖVP - wie das in Zukunft vermieden werden kann, gilt es spätestens jetzt zu analysieren.

Denn natürlich birgt ein massiver Stimmenzuwachs für die Parteien am rechten Rand Gefahren, und allfällige internationale Proteste gegen eine Regierungsbeteiligung von FPÖ, BZÖ oder gar beiden gemeinsam stellen dabei noch das geringste Problem dar. Gefährlicher ist da schon, dass die ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP versuchen könnten, in den Untiefen der Rechten auf Stimmenfang zu gehen - auf Kosten der ohnedies relativ begrenzten politischen Vielfalt in diesem Land.

Wahlkampf als Sündenfall

Für den Sündenfall hat bereits der gerade zu Ende gebrachte Wahlkampf gesorgt. Eine SPÖ, die auf Drängen eines Kleinformats ihre EU-Politik radikal in Richtung FPÖ schwenkt und eine ÖVP, die zumindest das BZÖ eines Jörg Haider in der Ausländerpolitik rechts überholt. Jenen Wählern, welche die Große Koalition für ihre 18-monatige Blockadepolitik abstrafen wollten, wurde damit praktischerweise gleich die Rutsche gelegt, vom Populismus-Schmiedl hin zum Populismus-Schmied.

Zu folgern, dass knapp 30 Prozent der Österreicher plötzlich ideologisch nach rechts gerückt seien, ist sicherlich ein Trugschluss. Die Ursachen für den kometenhaften Aufstieg der Rechten am 28. September liegen viel eher im Verhalten der alteingesessenen Volksparteien SPÖ und ÖVP. Und dieses stellt in der Tat eine Bedrohung dar - für die Meinungs- und Ideenfreiheit in Österreich.

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