Österreich: Kritik an Ausreise-Verbot für Jugendliche

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP)
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) APA/GEORG HOCHMUTH
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Geht es nach der Innenministerin, sollen Auslandsreisen Minderjähriger außerhalb der EU nur mit Zustimmung der Obsorgeberechtigten erlaubt sein.

Auf einige Skepsis stößt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit ihrem Versuch, die Ausreise Jugendlicher zur Teilnahme am Jihad zu unterbinden. So meldeten die Rechtsanwälte, Wirtschafts- und Arbeiterkammer, die Asylkoordination und die Bundesjugendvertretung am Freitag in der Begutachtung Bedenken an. Justizministerium und Verfassungsdienst machen auf Formulierungsmängel aufmerksam.

Die Änderungen des Grenzkontroll- und des Staatsbürgerschaftsgesetzes sind Teil des Gesetzespakets gegen die Rekrutierungsversuche der islamistischen Terrortruppe IS in Österreich. Laut Mikl-Leitners Entwurf sollen Auslandsreisen Minderjähriger außerhalb der EU nur mit Zustimmung der Obsorgeberechtigten erlaubt sein. Außerdem soll Doppelstaatsbürgern, die für Terrororganisationen in den Krieg ziehen, die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt werden.

Ruf nach präziserer Formulierung

Nimmt man die neuen Grenzkontrollregelung für Jugendliche beim Wort, "könnte hinkünftig jedes Kind oder jeder Jugendliche bei jedem Grenzübertritt der hier vorgesehenen Prozedur unterzogen werden", fordert der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) eine präzisere Regelung. Die Bundesjugendvertretung und das Netzwerk Kinderrechte Österreich sehen einen "unverhältnismäßigen Eingriff" in Grundrechte Minderjähriger - konkret jenes auf Freizügigkeit. Jugendliche würden unter den "Generalverdacht" gestellt, dass ihre Eltern "prinzipiell nicht mit deren Ausreise einverstanden sind".

In manchen Fällen - Zwangsrekrutierung, Zwangsverheiratung oder sonstige Fälle häuslicher Gewalt - sei es zudem "bedenklich", nach der Zustimmung des Obsorgeberechtigten zu fragen. "Es muss dem Jugendlichen freigestellt sein, solchen Situationen zu entkommen", stellt die Asylkoordination fest. Denn: "Wird man den Vater eines Mädchens um Erlaubnis fragen, ob seine Tochter in ein anderes Land einreisen/flüchten darf, wird er sich freuen, seine Tochter alsbald zurückzuerhalten, um die Eheschließung zu vollziehen."

Vermisst wird weiters eine genaue Regelung, wie die Sicherheitsbehörden feststellen sollen, ob die Eltern der Ausreise zustimmen. Das "ist in der Praxis wohl oft nur sehr schwer möglich", merkt die Arbeiterkammer (die den Entwurf aber ausdrücklich begrüßt) an. Für das Netzwerk Kinderrechte ist hingegen die vermerkte "telefonische Kontaktaufnahme" mit Obsorgeberechtigten "unzulänglich und untauglich". Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werde die obsorgeberechtigte Personen kaum auszumachen sein, merkt die Asylkoordination an.

Für eine "bewaffnete Gruppe" tätig?

Das Justizministerium - das das Ziel des Gesetzes ausdrücklich begrüßt - hat ebenfalls eine Schwäche im Entwurf gefunden. Nicht der Obsorgeberechtigte sollte zustimmen müssen, sondern der Elternteil, der zur Pflege und Erziehung berechtigt ist. Auch der Verfassungsdienst übt Kritik an Mikl-Leitners Entwurf. Denn das Gesetz ermächtige Sicherheitsorgane, Minderjährigen den Grenzübertritt zu verwehren - während laut den Erläuterungen nur die Ausreise verhindert werden soll. Tatsächlich könne nur die Ausreise erfasst werden, denn laut Menschenrechtskonvention darf niemandem das Recht entzogen werden, in den Staat einzureisen, dessen Angehöriger er ist.

Die Absicht des Staatsbürgerschafts-Entzuges, wenn jemand "freiwillig für eine bewaffnete Gruppe aktiv an Feindseligkeiten im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt", stößt bei der Wirtschaftskammer und der Bundesjugendvertretung auf Ablenung. Da nämlich Österreich Doppelstaatsbürgerschaften weitgehend verweigert, werde diese Regelung nur begrenzt Anwendung finden, so das Argument. Zuletzt macht auch das Amt der Wiener Landesregierung auf ein Problem aufmerksam: Es werde wohl schwer möglich sein, festzustellen, ob jemand für eine "bewaffnete Gruppe" tätig ist.

(APA)

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