Jobs statt Ideologie: Jugend will mehr Sicherheit vom Staat

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Weltanschauung war gestern. Die Jugendlichen fordern „handfeste Lösungen“ von den Politikern, sagt ein Experte. Was aber erwarten sich die Jungen von der Politik?

Wien. Ginge es nach den Jugendlichen, wären SPÖ und ÖVP gar nie zu Koalitionsverhandlungen zusammengetreten. Denn gerade jene zwei Parteien, die derzeit an einer neuen Regierung basteln, wurden von der jungen Generation – so man den Wähleranalysen glaubt – klar abgewählt. Was aber erwarten sich die Jungen von der Politik?

„Viel“, sagt Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. An den idealen Politiker stellen Jugendliche hohe Ansprüche: Spannend sollte er sein. Jugendlich, aber kompetent – und vor allem eines: glaubwürdig. Auch bei den Inhalten würden die Jungen „handfeste Lösungen“ fordern. Denn, so Heinzlmaier: Die Zeit „des Idealismus und der Weltverbesserei“ sei längst vorbei. „Wir erleben eine Renaissance des Materialismus. Die Jugendlichen sind bodenständig und an Ergebnissen orientiert.“

Das zeige sich auch an den Themen, mit denen die Parteien bei der jungen Wählerschicht punkten könnten: „Am wichtigsten sind sicher die Bereiche Ausbildung und Arbeit“, sagt Heinzlmaier. Respekt auf dem Arbeitsmarkt, gute Betreuung durch das AMS – das würden sich die Jugendlichen wünschen.

Die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Jugendkulturforschung unterstreichen diese Einschätzung: Mehr als 23 Prozent der Befragten im Alter von 16 bis 19 Jahren bezeichneten Bildung als eines der „wichtigsten politischen Themen“. Knapp dahinter folgen die Problemfelder Studiengebühren und Arbeitslosigkeit. Auf die Frage, in welchem der Bereiche Freunde am ehesten Hilfe benötigen, antworteten noch mehr, nämlich knapp ein Viertel der Interviewten, mit „Ausbildung“. Das Thema liegt dort, knapp vor der Arbeitslosigkeit, an erster Stelle. Weit abgeschlagen in den Rankings: die Bereiche Umwelt (für 15,6 Prozent wichtig), Europäische Union (7,6 Prozent) und Frauenpolitik (nur 2,1 Prozent).

Edda Strutzenberger, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung (BJV), sieht das ähnlich: „Wir leben heute in einer Ellbogengesellschaft. Und das sind die Resultate.“ Ein Job mit angemessener Bezahlung stünde neben guter Ausbildung ganz oben auf der Wunschliste.

Politik zweiter Klasse

Strutzenberger, die der Katholischen Jugend angehört, geht mit den Parteien hart ins Gericht: „Jugendpolitik ist Politik zweiter Klasse. An uns wird vorbeiregiert.“ Die BJV wird der Regierung jedenfalls einen Forderungskatalog vorlegen – übrigens den annähernd gleichen wie 2006. Denn umgesetzt wurde von den Anregungen – Kinderrechte im Verfassungsrang, einheitlicher Jugendschutz usw. – nur eine einzige: Wählen mit 16.

Als wichtigstes politisches Thema weist die Jugendstudie ein anderes aus: die Migration liegt mit 32,3 Prozent deutlich an der Spitze. Ausländern und Asylwerbern stünden die Jugendlichen nicht unkritisch gegenüber, sagt Heinzlmaier. „Skepsis greift auch in bildungsnahen Schichten um sich.“ Und das, obwohl die traditionell ausländerfreundlich seien. „Die unkritische Multikulti-Philosophie der Parteien links der Mitte deckt sich nicht mit eigenen Lebenserfahrungen.“

Institut für Jugendkulturforschung

Mögliche Gegenrezepte der Politik: „Die jungen Menschen verlangen nach Sicherheit, nach Regulierungen.“ In Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit müsse eine Regierung wieder für Stabilität sorgen. Dieses Gefühl zu vermitteln, sei im Wahlkampf vor allem FPÖ und BZÖ gelungen: „Die haben auf die richtigen Themen gesetzt“ – von Jungwählern wurden sie dafür belohnt.

Ein „neues rechtes Lager“ habe sich deswegen jedoch nicht gebildet, glaubt Heinzlmaier: „Den Jugendlichen ist Ideologie egal. Viele wissen nicht einmal, was das ist.“ Beurteilen würden sie die Programme nach der „Nützlichkeit für ihr eigenes Leben“. Die Stimmen der jungen Generation seien daher für alle Parteien gleichermaßen verfügbar – wenn sie darum kämpfen.

Dafür Jungpolitiker ins Rennen zu schicken kann sich lohnen. Muss es aber nicht. „Diese bringen zwar auf natürliche Art junge Themen in die Politik. Aber auch Alte können punkten, wenn sie jugendlich wirken“, sagt Heinzlmaier. Mit Heinz-Christian Strache – in vergangener Zeit häufig in Discos anzutreffen – habe ein immerhin 39-Jähriger den erfolgreichsten Jugendwahlkampf geführt.

GfK Austria

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2008)

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