Anschober: „Eva Glawischnig ist keine Verbotsfrau“

Rudi Anschober
Rudi Anschober(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Oberösterreichs grüner Landesrat Anschober ruft Ernährungswende mit Fleischfrei-Tag statt Schnitzelverbot aus. Zudem müssten die Sozialstrukturen aus den 1950er-Jahren stärker an die veränderte Gesellschaft angepasst werden.

Die Presse: Stört es Sie, wenn man Sie mit 54 Jahren als Veteran grüner Regierungstätigkeit bezeichnet?

Rudi Anschober: Mir gefällt eher die Titulierung Vorreiter. Denn das erste Koalitionsmodell mit einem schwarz-grünen Regierungsübereinkommen war in Oberösterreich 2003. Mittlerweile sind wir das grüne Regierungsprojekt in Europa, das es am längsten gibt.

Was haben die Oberösterreicher davon?

Die Bevölkerung vieler Bundesländer hat gesehen, dass grüne Regierungsarbeit ein gutes Modell ist. Sonst gäbe es die tolle Entwicklung mit der Beteiligung in nun sechs Bundesländern nicht. Es ist eine unglaubliche Sehnsucht in der Bevölkerung nach einem neuen Stil des Regierens: miteinander arbeiten und gemeinsam Probleme lösen statt täglicher Behinderung des Partners.

2003 sind im Bund schwarz-grüne Regierungsverhandlungen gescheitert. Was ist in der ÖVP nun anders?

Auf Bundesebene werden wir erst sehen, ob sich die ÖVP wirklich verändert. Grünes Regieren ist, in Schwerpunktthemen zu gestalten, statt zu verwalten und blockieren, zum Beispiel in Oberösterreich in der Energiepolitik.

Wie sehr müssen sich Grüne in der Regierung verbiegen? Stichwort Asylpolitik. Es gibt auch in Oberösterreich seit elf Jahren nicht genügend Asylquartiere.

Realität ist, dass Veränderungsprozesse länger dauern, als man es sich in der Opposition vorgestellt hat. Wir haben trotz des Koalitionsabkommens mit der ÖVP noch ein Proporzmodell (in der Regierung sind alle Parteien ab einer bestimmten Stimmenstärke, Anm.) mit einer Zuständigkeit der SPÖ in Asylfragen. Es ist ein dezidiertes Ziel, dieses Modell, das in Nachkriegszeiten gut war, aber heute demokratiepolitische Steinzeit ist, durch ein echtes Koalitionsmodell abzulösen.

Die Frage war zum Asylwesen.

Die Kompetenz in der Regierung liegt bei Kollegin Jahn (SPÖ-Landesrätin, Anm.). Tatsache ist, wir sind nicht am Ziel. Es geht nicht nur um Quoten, sondern auch um die Qualität von Quartieren.

Dafür wäre seit der Quote ab 2004 ein Jahrzehnt Zeit gewesen.

Die Stimmung ist in manchen Gemeinden schwierig. Ich möchte in den nächsten Monaten Projekte, bei denen es funktioniert, als Vorzeigemodelle nehmen. Wir haben Verbesserungsbedarf, keine Frage.

Zum grünen Bundeskongress zur Sozialpolitik an diesem Wochenende: Im Leitantrag fallen viele typische linke Positionen auf. Zu Regierungsbeteiligungen mit der ÖVP passt das gar nicht.

Das sind Etiketten. Wir haben höchsten Reformbedarf im Bildungswesen. Wir treiben in den Ländern auch in der Verkehrs- oder Energiepolitik Reformen voran, aber es ist eine Tatsache, dass wir in einer Gesellschaft leben, die in einem unglaublichen Entwicklungsprozess mit enormer Mobilität und Brüchen von Biografien ist. Wir müssen Sozialstrukturen, die zum Teil in den 1950ern begründet wurden, an diese völlig veränderte Gesellschaft anpassen. Neue Herausforderungen brauchen neue Antworten.

Wie?

Unsere Antwort ist sowohl Planbarkeit in Form von Rechtsansprüchen im Sozialsystem als auch stark die Wahlfreiheit des Einzelnen. Das wird nicht einfach, egal, ob bei Pensionen oder Pflege. Wir wollen uns als Grüne da viel stärker einbringen. Ein ganz großes Thema ist für uns auch die Ernährungswende als hochpolitisches Thema.

Wie soll die Wende aussehen?

Es geht in Richtung Nachhaltigkeit, gesunde Lebensmittel, weg von der Ernährung mit Industrieware.

Salopp formuliert: Körndlessen ist jetzt salonfähig.

Einspruch! Mit unserer Ernährung entscheiden wir ganz wesentlich über unsere Gesundheit, Umweltqualität und Klimaschutz. Wir versuchen, neben vielen anderen Projekten in Oberösterreich eine Partnerschaft sowohl mit vielen engagierten Landwirtinnen und Landwirten als auch mit Konsumenten, die verantwortungsvoll einkaufen wollen. Mein täglicher Einkauf ist eine politische Entscheidung: für regionale Produkte oder dagegen oder global für oder gegen Kinderarbeit. Der mündige Konsument hat Macht. Es ist aber ein positiver, genussorientierter Zugang.

Bei Bundesobfrau Glawischnig geht es jedoch bis zum Verbot des täglichen Schnitzels.

Nein.

Doch.

Ich kenne Glawischnig sehr gut. Ich weiß, dass sie alles andere als eine Verbotsfrau, vielmehr ein liberaler Mensch ist. Ich selbst bin Flexitarier, in dem Sinn, dass ich weniger Fleisch esse und kein Fleisch aus industrieller Massentierhaltung. In Oberösterreich haben wir die Initiative Fleischfrei-Tag.

Viele Leute können sich teurere, gesunde Produkte nicht leisten und haben so erst recht keine Wahlfreiheit.

Einspruch! Wir haben uns angeschaut: Was ist billiger, die Tiefkühlpizza oder die selbst gemachte Bioregionalpizza? Die Selbstgemachte ist um ein Drittel billiger. Bei Fleisch gibt es tatsächlich den Preisunterschied. Aber gesunde Ernährung darf doch bitte keine Geschichte für Eliten sein!

ZUR PERSON

Rudi Anschober, seit wenigen Tagen 54, ist seit Oktober 2003 Umweltlandesrat in einer schwarz-grünen Koalition in Oberösterreich. Der gebürtige Welser, ein Volksschullehrer und Journalist, kam 1990 für die Grünen ins Parlament, 1997 übersiedelte er in den Landtag. 2012 nahm er einige Monate Auszeit, zuvor hatte er sein Burn-out publik gemacht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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