Das Selbstbild und das Fremdbild der Lehrer

(c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Kein Mitgefühl für Lehrer? Aus dem Tagebuch einer Pädagogin: Schmied kenne sich halt in der Schule nicht wirklich aus.

Die Meinungen prallen aneinander. Der Großteil der Lehrkräfte sieht sich überlastet, etwa 90 Prozent der Lehrerzuschriften an „Die Presse“ handeln über die enorme Arbeitszeit, vereinzelt auch über das Arbeitsleid. Abseits der Pädagogenzunft hört sich das Mitgefühl aber auf. Deswegen konnte Unterrichtsministerin Claudia Schmied schon drei Tage nach ihrer Ankündigung (und dem nicht unerwarteten Proteststurm) mit einer Ifes-Umfrage aufwarten, derzufolge 67 Prozent der Österreicher zwei zusätzliche Unterrichtsstunden für gerechtfertigt halten.

Diese Sicht der Bevölkerung ist den Lehrkräften bekannt. Erzürnt sind sie, weil die Ministerin, die stets von ihren „wertvollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“ spricht, diese Studie in Auftrag gegeben hat. Weil sie damit ihre wertvollen Mitarbeiter mundtot machen wollte. Aber abseits der gegenseitigen Vorwürfe – wie schaut ein Arbeitstag nun wirklich aus?

7.45: Eintreffen in der Schule, zwei Mal pro Woche 15 Minuten früher, da Gangaufsicht. Der tatsächliche Aufenthalt der AHS-Professorin Karolone K. (Mathematik, Französisch) ist unterschiedlich: einmal bis 14.30 (dazwischen 40 Minuten Mittagspause), einmal bis 12.00 und nachmittags Förderkurse, zwei Mal bis 13.00 (dabei einmal die Elternsprechstunde), einmal bis 15.30 mit einem einstündigen „Fenster“ dazwischen, dazu kommen noch zwei bis drei Nachmittagsförderstunden.

Die Lehrerin beklagt sich nicht. Insgesamt kommt sie auf 20 Stunden pro Woche in der Klasse (eine Stunde zu 50 Minuten), vier Stunden in Bereitschaft (die fast immer auch geleistet werden müssen), vier Gangaufsichten und – seit zwei Monaten – auf derzeit weitere drei Stunden für eine ständige Vertretung wegen eines Krankheitsfalls. Zur normalen Lehrverpflichtung (und dem Gehalt) erhält sie zusätzlich die Krankheitsvertretung bezahlt, weiters die Förderstunden am Nachmittag und die Bereitschaftsstunden, außer der ersten. Nicht abgegolten werden die wöchentliche Sprechstunde und die erste Supplierstunde.

Die Lehrerin kann auf 35 Dienstjahre zurückblicken, sie wird sich also nicht so übermäßig vorbereiten müssen. Stimmt nicht, sagt sie. Sie habe in diesem Jahr zum ersten Mal den Wahlkurs Französisch mit einer völlig neuen Vorbereitung. Beim Wahlpflichtfach Mathematik, ebenfalls zum ersten Mal, betrete sie Neuland. Die Mathematikbücher für die zweite und dritte Klasse seien neu, da gebe es Fehler und Ungenauigkeiten. „Wenn man da in die Klasse geht, ohne die Stellen vorher genau zu studieren, fällt man auf die Nase.“

Wie gesagt, die Lehrerin klagt nicht. „Bei Korrekturen, auch von Hausübungen, bin ich so blöd und verbessere jede sprachliche Ungenauigkeit“, sagt sie. Andere machen das nicht. Für die Verbesserung einer Mathematikschularbeit reichen ein Tag und eine Nacht bei Weitem nicht aus. Nachtarbeit? „Das ist unser Vorteil, da kann ich mir dann einen Tag freischaufeln.“ Aber es gebe auch jüngere Kollegen, die verbessern 20 Hefte in einer Fensterstunde, sie könne das jedenfalls nur gründlicher machen.

Die so heiß diskutierte Frage: „Sind zwei weitere Unterrichtsstunden zumutbar?“ Die Antwort kommt prompt: „Da ich seit mehr als zwei Monaten wegen der Krankheitsvertretung drei Stunden mehr habe, ist das sicher möglich.“ Aber die Taktik Schmieds war unmöglich. „Ich trage alle Protestmaßnahmen mit.“ Denn es gebe zahlreiche Möglichkeiten, in anderen Bereichen zu sparen, etwa bei den Schulbüchern. Aber Schmied kenne sich halt in der Schule nicht wirklich aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2009)

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