Wiener Philharmoniker: "Eine sanfte Kurskorrektur"

(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Andreas Großbauer und Harald Krumpöck, das neue Führungs-Duo der Wiener Philharmoniker, seit Saisonbeginn im Amt, stand erstmals Rede und Antwort.

Die ersten Wochen“, so geben Andreas Großbauer und Harald Krumpöck im Verein mit Vizevorstand Helmut Zehetner zu, „waren enorm anstrengend.“ Nicht nur weil Intendanten, Manager und Medienvertreter die neuen Herren kennenlernen wollten. Fast unmittelbar nach dem Amtsantritt der neuen Orchesterführung folgte der Paukenschlag in der Staatsoper: Franz Welser-Möst legte sein Amt als Generalmusikdirektor und sämtliche Dirigate nieder.

Das trifft die Philharmoniker insofern, als sie in ihrem Brotberuf das Orchester der Staatsoper bilden. Doch funktioniert die Zusammenarbeit mit Staatsopern-Direktor Dominique Meyer bestens, betont Großbauer. Für sämtliche Termine des Ex-„Generals“ sei außerdem namhafter Ersatz gefunden worden. Also gab man längst Entwarnung.

Konzertprogramme gestalten die Philharmoniker ohnehin in Absprache mit den Dirigenten, die sie – wie ihren Vorstand – demokratisch wählen. Besonders bereichernd empfinden beide Herren die Tatsache, „dass wir als Musiker jetzt mit Dirigenten auch über Programme diskutieren können“.

Erste Ergebnisse: Mit Semyon Bychkov will man eine Lanze für Franz Schmidt brechen, der ja aus philharmonischen Reihen hervorgegangen ist: Die Zweite Symphonie wird nicht nur bei den Salzburger Festspielen, sondern auch bei den Londoner „Proms“ zu hören sein und für CD aufgenommen. Gefeiert wird Seiji Ozawas 80er. Auch über den 2016 zu begehenden runden Geburtstag Zubin Mehtas denkt man bereits nach. Die anregenden Gespräche handeln freilich vor allem von über- und überübernächsten Saisonen, denn „wir haben ja eine Planungsarbeit übernommen, die weit gediehen ist. Es ist ja wie bei einem Hochseedampfer. Wenn man ans Steuer geht, reißt man es nicht wie wild herum, sondern nimmt sanfte Kurskorrekturen vor, um langfristig in die richtige Richtung zu fahren.“

Apropos: Die zuletzt auch aus den eigenen Reihen häufig gehörte Kritik, die Philharmoniker seien im Konzertleben vielleicht ein wenig zu präsent, hat wohl auch bei den Wahlen zum Vorstand eine Rolle gespielt: „Es stimmt, dass wir einen Plafond erreicht haben. Mehr Termine für Konzerte, mehr Reisen wird es bestimmt nicht geben. Andererseits hat es sein Gutes, wenn das Orchester sozusagen ständig im Training bleibt. Die Kollegen wünschen sich vor allem, dass wir die Qualität im Auge behalten.“

Vinyl-Renaissance und World Wide Web

Aufmerksam verfolgen die neuen philharmonischen Kapitäne diesbezüglich auch das, was man früher Schallplattenmarkt genannt hat. Die CD dürfte „ein Auslaufmodell“ sein, „die Schallplatte wird aber dank ihrer klanglichen Möglichkeiten nicht sterben“, meint Großbauer, der das Vinyl-Comeback ebenso neugierig beobachtet wie die Möglichkeiten, die sich dank der weltweiten Vernetzung ergeben. In Sachen „Streaming“ will man „so viele Menschen wie möglich erreichen“.

Da gilt es, apropos Qualität, die richtige Plattform zu finden und ein eine Art Fair-Trade-Gütesiegel. „Die Menschen müssen erkennen, dass das, was wirklich einen Wert hat, auch etwas kosten darf“, lautet die Devise. Angesichts eines Marktes, der ganz und gar nicht auf Klassik zugeschnitten ist, dürfte das die heikelste Aufgabe des neuen Teams darstellen, das sich im Übrigen über die Tatsache freut, dass „uns zwei hohe Auszeichnungen quasi in den Schoß gefallen sind“: Die Preisgelder für Birgit-Nilsson- und Herbert-von-Karajan-Preis sollen einerseits für die Aufarbeitung und Neuaufstellung des philharmonischen Archivs verwendet werden, andererseits der Jugendförderung zugutekommen.

Bedenklich finden die philharmonischen Vorstände übrigens die immer kulturferner, ja zum teil kulturfeindlich agierende Politik im Lande Österreich. „Es sind“, sagt Großbauer, „viele kleine Mosaiksteinchen, die zu einer Aushungerung des sogenannten Kulturlandes führen. Im Ausland werden wir immer darauf angesprochen, dass wir auf einer Insel der Seligen leben, weil hierzulande die Kultur eine so eminente Rolle spielt.“

Doch sei das längst Fiktion. Die drohende Korrektur der Mehrwertsteuersätze könnte viele Kulturveranstalter an den Rand des Ruins bringen „und würde auch große Institutionen wie Musikverein oder die Bundestheater vor enorme Schwierigkeiten stellen“.

Besonders bedenklich sei die völlige Vernachlässigung von Kunst und Kultur im österreichischen Bildungswesen: „Dass Volksschullehrer kein Instrument mehr spielen lernen, dass die Literatur aus dem Deutschunterricht mehr und mehr ausgeklammert wird – solche Dinge haben auf lange Sicht katastrophale Auswirkungen. Ganz abgesehen davon, dass der Staat den Bildungsauftrag nicht ganz auslagern soll, darf er Institutionen, die ihn wahrnehmen – wie Musikverein oder Staatsoper mit ihren vielfältigen Jugend- und Kinderprogrammen – keinesfalls aushungern.“

Diesbezüglich mahnend die Stimme zu erheben wird – das steht zu befürchten – zu den langfristigen Aufgaben des neuen philharmonischen Vorstands gehören...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2014)

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