Parteiprogramm: SPÖ überlegt Grundeinkommen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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„Ich bin total offen“: Koordinator Josef Cap kündigt an, man werde das Jahr 2015 für Diskussionen über neue Leitlinien nützen – auch über die soziale Absicherung.

Wien. Er marschiert gerade an einer Buchhandlung vorbei, in der das kapitalismuskritische Werk des Franzosen Thomas Piketty „Der Kapitalismus im 21. Jahrhundert“ liegt. Kein Wunder, dass Josef Cap, der die Arbeiten am neuen SPÖ-Parteiprogramm koordiniert, im „Presse“-Telefonat sofort auf dieses Werk verweist. Während die ÖVP schon heuer im Frühjahr ihr neues Parteiprogramm beschließen wird, wird die SPÖ das gesamte Jahr 2015 für eine breite und intensive Debatte über Ideen für ein neues SPÖ-Programm nützen, wie der ehemalige Klubobmann der Kanzlerpartei erläutert. Nach einer Urabstimmung der Basis soll schließlich 2016 das neue SPÖ-Programm beschlossen werden.

Einen bemerkenswerten Vorschlag hat der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser in der jüngsten „Presse am Sonntag“ öffentlich gemacht: Er trat darin für eine Art Gehalt für Mütter sowie freiwillige Helfer ein, er brachte aber vor allem eine neue Diskussion über ein Grundeinkommen ohne Erwerbseinkommen ins Rollen.

Er sei „total offen“ für jeden vernünftigen Diskussionsvorschlag, betont Cap. „Natürlich soll man das jetzt in dem programmatischen Diskussionsprozess ganz gewichtig berücksichtigen“, ergänzt er. Schließlich sei dieses Thema schon in der Vergangenheit immer wieder in die Debatte eingebracht worden. Auf politischer Ebene wurde dieses Thema erst vor gut einem Monat neu belebt. Denn die Grünen haben sich Ende November bei ihrem Bundeskongress auf ein Grundeinkommen eingeschworen.

Einladung an „aufgeklärte Industrie“

Es geht um die Frage der sozialen Absicherung für Menschen unabhängig von einem Erwerbseinkommen. Umgesetzt hat die SPÖ als Regierungspartei seit dem Wiedereinzug in die Bundesregierung im Jänner 2007 allerdings eine andere Linie. Statt eines sogenannten arbeitslosen Grundeinkommens wurde ab September 2010 die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt. Auch SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat seither immer hervorgehoben, dass dieses Sozialgeld dem Ziel diene, arbeitsfähige Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen. Im Gegensatz dazu steht ein Grundeinkommen als Sozialleistung unabhängig von Erwerbseinkommen.

Ein Grundeinkommen rückt jetzt verstärkt in den Vordergrund, weil auch in Österreich viele Menschen auf Dauer keinen Arbeitsplatz mehr finden, und weil Österreichs stark auf vorherige Erwerbsarbeit basierendes Sozialnetz angesichts schlecht bezahlter (Teilzeit-)Jobs Lücken aufweist. Kaiser hat seine Überlegungen offiziell nicht an die Arbeitsgruppe für das neue Parteiprogramm herangetragen. Cap will im jetzigen Stadium keine Sympathie für einzelne Ideen äußern, um die offene Diskussion nicht zu beeinflussen. Es seien jedoch auch beispielsweise „die Aufgeklärten in der Industrie“ eingeladen, sich an der SPÖ-Programmdebatte zu beteiligen. Er spielt damit auf das Konzept der Industriellenvereinigung für eine verpflichtende Ganztagsschule an.

Keine Beteiligung an Personaldebatte

Beim SPÖ-Bundesparteitag wurde mit 25 Hauptfragen und rund 100 Detailfragen versucht, Schwerpunkte für künftige programmatische Leitlinien der SPÖ herauszuarbeiten. Kanzleramtsminister Josef Ostermayer hat im „Presse“-Interview bereits angekündigt, dass die Parteimitglieder mittels Urabstimmung über das Programm mitentscheiden könnten.

Ob es ihm nicht Sorge mache, dass die ÖVP nun ihren „Evolutionsprozess“ für ein neues Parteiprogramm medial viel besser vermarkte als die SPÖ und das neue Programm viel schneller beschließe? Cap sieht das anders, er bekennt sich zu einer ausführlichen Debatte basierend auf einer fundierten Basis das ganze Jahr 2015 über.

In den vergangenen Wochen und Monaten vor und nach dem SPÖ-Bundesparteitag Ende November war die Programmdebatte allerdings völlig von der Führungsdiskussion um Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann überschattet. Cap verweigert dazu allerdings jeden Kommentar: „Ich beteilige mich nicht daran.“

Da verweist er lieber auf Piketty. Er sieht daher auch die Frage, ob nun ÖBB-Chef Christian Kern für die Politik geeignet sei, was Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) diesem vor Weihnachten abgesprochen hat, nur als Versuch, ihn doch in diese Debatte hineinzuziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2015)

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