Letzter Rettungsversuch für das Abdullah-Zentrum

(c) Michaela Bruckberger
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Außenminister Kurz drängte Claudia Bandion-Ortner, die Vize-Generalsekretärin des Dialogzentrums, zum Rücktritt und legte Reformideen vor.

Ein Mangel an Langmut ist Sebastian Kurz schwerlich vorzuwerfen. Im Oktober noch hatte der Außenminister seine schützende Hand über Claudia Bandion-Ortner gehalten. Schon zu diesem Zeitpunkt empfahlen ihm Berater dringend, die Vize-Generalsekretärin des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog aus dem Verkehr zu ziehen. Die Ex-Justizministerin hatte es damals nach langem Schweigen mit einem einzigen Interview geschafft, sich und ihre umstrittene Organisation im Wiener Palais Sturany wieder in Verruf zu bringen.

Ihr Verteidigungsplädoyer für die saudischen Financiers des Dialogzentrums ist mittlerweile legendär. In Saudiarabien werde nicht jeden Freitag geköpft, wusste sie in „Profil“ zu berichten. Die Republik schüttelte den Kopf, hitzige Debatten über das Dialogzentrum flammten auf. Und der Kanzler entdeckte ein Thema, mit dem er dem jungen Umfragekaiser im Außenamt am Zeug flicken konnte. Werner Faymann begann abzurücken von der neuen internationalen Organisation am Wiener Schottenring, die er drei Jahre zuvor noch mitbeschlossen hatte.

Claudia Bandion-Ortner verhielt sich still seit dem Eklat im Herbst und trat nicht mehr in Erscheinung. Doch nun musste sie trotzdem zurücktreten, Sebastian Kurz kam mit ihr am Freitag überein. Es ging nicht mehr anders, der Außenminister brauchte einen Befreiungsschlag, und das kostete die Vize-Generalsekretärin ihren Job.

In den Tagen davor hatten sich Faymann und Genossen erstmals offen dafür ausgesprochen, aus dem Dialogzentrum auszusteigen. Auslöser der Austrittsdebatte war der Fall Raif Badawi. Am Freitag vergangener Woche, zunächst im Schatten der Terroranschläge in Paris, waren dem saudischen Blogger vor einer Moschee in Jeddah die ersten 50 von insgesamt 1000 Peitschenhieben verpasst worden. Das „Vergehen“ des Liberalen: Er hatte engstirnige wahhabitische Kleriker kritisiert und für eine Säkularisierung Saudiarabiens argumentiert. Mehr brauchte der 31-jährige Familienvater nicht. Zehn Jahre Haft, 1000 Peitschenhiebe und eine Million saudische Riyal Geldstrafe, lautete das Urteil.

Das Dialogzentrum in Wien wollte zu der Causa nicht Stellung nehmen. Faymann schon. Und das wiederum rief Bundespräsident Heinz Fischer und Kardinal Schönborn auf den Plan. Beide stellten sich in Aussendungen demonstrativ hinter das Dialogzentrum und damit gegen den Kanzler. Ihre Botschaft: Eine Organisation, die das gegenseitige Verständnis der Religionen fördere, sei in Zeiten des islamistischen Terrors und der Islamophobie nötiger denn je. Ihre Intervention war akkordiert, auch mit Kurz, der mehrmals mit dem enragierten Staatsoberhaupt telefoniert hatte. Doch Faymann ließ sich von dem Ordnungsruf nicht beeindrucken, dachte auch am nächsten Tag laut über einen Ausstieg aus dem Dialogzentrum nach.

Daraufhin trat Kurz, der sich bis dahin hinter Fischer versteckt hatte, die Flucht nach vorn an. Er überreichte Bandion-Ortner die „seidene Schnur“ und der Öffentlichkeit einen Plan, um ein „echtes Wiener Dialogzentrum der Religionen“ zu schaffen. „Wenn das Zentrum eine Zukunft haben will, muss es die Chance auf eine Neuaufstellung nutzen“, sagt Kurz zur „Presse am Sonntag“. Religionsvertreter müssten im Mittelpunkt stehen, Religionsfreiheit ebenso. Das Zentrum, so Kurz, müsse mehr Öffentlichkeit herstellen – und unabhängiger von Vertragspartnern wie Saudiarabien sein.

Schön und gut. Aber wer zahlt dann? Der saudische Monarch hat das Palais Sturany gekauft und kommt auch für die Kosten des Dialogzentrums – jährlich rund 15 Millionen Euro – auf. Spanien, neben Saudiarabien und Österreich Gründungsstaat des Zentrums (und einigermaßen verwundert über die Diskussionen in Wien), versucht seit Längerem, neue Mitglieder anzuwerben. Angeblich bekundeten Japan, Indonesien, Argentinien und auch Großbritannien Interesse, Doch beigetreten ist noch keiner.

Finanziell bleibt das Dialogzentrum also von Saudiarabien abhängig, auch den Namen des siechen Königs trägt es weiterhin. Und Faisal bin Abdulrahman bin Muammar, ein saudischer Ex-Vize-Bildungsminister, behält das Amt des Generalsekretärs. Ob das Dialogzentrum in dieser Konstellation offener über Religionsfreiheit in Saudiarabien diskutieren wird, bloß weil Bandion-Ortner nicht mehr dabei ist?

Kurz will die Institution wenigstens nicht kampflos aufgeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2015)

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