Religionsfreiheit: Faymann erhöht Druck auf Abdullah-Zentrum

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Bundeskanzler Faymann stellt österreichische Beteiligung infrage und übt scharfe Kritik in einem Brief an den saudischen Kronprinzen. Bundespräsident Fischer will in getrennten Gesprächen zwischen Ministern vermitteln.

Wien. In der Diskussion um das umstrittene König-Abdullah-Zentrum in Wien macht Werner Faymann weiter Druck. Nach seiner scharfen Kritik vom Vortag legte der Bundeskanzler (SPÖ) am Dienstag nach dem Ministerrat noch einmal nach. „Ich sehe zur Stunde nicht, warum der österreichische Staat dort beteiligt sein soll“, erklärte Faymann vor Journalisten. Die Basis für den versprochenen interreligiösen Dialog sei schlicht nicht vorhanden, das „Prinzip Hoffnung“ reiche ihm nicht.

Im Fall des zu 1000 Peitschenhieben verurteilten Bloggers Raif Badawi – Kern der Empörung – wandte sich der Kanzler am Dienstag in einem Brief direkt an den Kronprinzen des Königreichs Saudiarabien, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud. Badawi sei verurteilt worden, weil er „öffentlich die Gleichrangigkeit der Weltreligionen hervorgehoben hat“, heißt es in dem Schreiben, das auch vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, unterzeichnet wurde und der „Presse“ vorliegt.

Das Urteil „erscheint uns umso unverständlicher als es (. . .) eine Grund- und Ausgangsbedingung des interreligiösen Dialogs massiv infrage stellt“, heißt es weiter – ein klarer Verweis auf die von Saudiarabien finanzierte Organisation, die sich die Förderung des interreligiösen Dialogs als Kernaufgabe auf die Fahnen geschrieben hat.

Doch über das weitere Vorgehen herrscht in der Regierungskoalition weiterhin alles andere als Einigkeit. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) plädierte in Abgrenzung zu Faymann für eine „besonnene Vorgangsweise“. Der Evaluierungsbericht über die Tätigkeit des Zentrums werde in „vermutlich zwei bis drei Wochen“ vorliegen. Zusätzlich werde es noch einen „Optionenbericht“ geben. Den gelte es dann in Ruhe mit allen Beteiligten zu diskutieren. Und: „Ich bin schon der Meinung, dass ein Dialogzentrum eine gute Einrichtung ist, die wir gerade in Zeiten wie diesen auch brauchen.“

Auf „ein klärendes Gespräch“ der Regierungsspitze wird Mitterlehner indes noch warten müssen. Bundespräsident Heinz Fischer – ein Befürworter des Zentrums – lud die Minister Josef Ostermayer (SPÖ) und Sebastian Kurz (ÖVP) zu gesonderten Gesprächen, hieß es am Dienstag aus dem Präsidialamt – um „die Situation in Ruhe zu analysieren“. Außenminister Kurz will unterdessen noch im Februar in die Golfregion reisen – auch nach Saudiarabien. (red./ag.)

Brief von Faymann und Schulz an Kronprinz Salman

S. K. H. Kronprinz
Salman ibn Abd al-Aziz
RIAD

Königliche Hoheit,
im Lichte unserer langjährigen Bemühungen um eine konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem Königreich Saudiarabien und Europa möchten wir Ihre Aufmerksamkeit auf den Fall des Bloggers Raif Badawi lenken, der nicht nur uns seit einiger Zeit mit großer Sorge erfüllt.
Raif Badawi ist von einem Gericht Ihres Landes unter anderem deswegen zu einer Haftstrafe von zehn Jahren sowie 1000 Peitschenhieben verurteilt worden, weil er öffentlich die Gleichrangigkeit der Weltreligionen hervorgehoben hat. Ein solches Urteil – dem ein weiteres gegen seinen Anwalt folgte – erscheint uns umso unverständlicher, als es Badawi nicht nur für die Inanspruchnahme seiner Meinungsfreiheit bestraft, sondern darüber hinaus eine Grund- und Ausgangsbedingung des interreligiösen Dialogs massiv infrage stellt.
Gerade auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Auspeitschen als besonders inhumane und grausame Form der Bestrafung auch der von Ihrem Land ratifizierten Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen widerspricht, appellieren wir an Sie, sich für eine sofortige Beendigung der Auspeitschung Raif Badawis, seine baldige Freilassung und eine baldige humanitäre Lösung seines Falls sowie des Falls seines Anwalts einzusetzen.

Mit den besten Grüßen
Werner Faymann, Martin Schulz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2015)

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