SPÖ: Culture Clash in der Kanzlerpartei

Voves
Voves(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ David Rodriguez)
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Franz Voves und Hans Niessl wollen Integrationsverweigerung bestrafen. Die Sozialistische Jugend ist empört und spricht von „rechten Rülpsern“. Eine Geschichte des Rechtsrucks in der SPÖ.

Wien. Die Löwelstraße hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Norbert Darabos, der Bundesgeschäftsführer, der als Burgenländer gewissermaßen zwischen zwei Stühlen sitzt, ist nicht zu sprechen. Peter Slawik, der Kommunikationschef der SPÖ, erläutert die Linie: „Die bestehenden Gesetze sind einzuhalten. Darüber hinaus sehen wir uns die Vorschläge, die da kommen, auch jene aus den Ländern, einmal an.“ Heißt im Klartext so viel wie: abwarten.

Denn das Thema ist heikel – und eine Zerreißprobe absehbar, sofern man nicht schon mittendrin steckt. Die Sozialistische Jugend macht bereits mobil, spricht von einem Rechtsruck und legt den Protagonisten der Debatte gar den Parteiwechsel nahe.

Was war geschehen? Am Dienstag hatte der steirische SPÖ-Landeshauptmann, Franz Voves, im Landtag angekündigt, gegen „Integrationsunwilligkeit“ juristisch vorgehen zu wollen. Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl pflichtete Voves daraufhin in einem „Kurier“-Interview bei.

Schon bei seinem Neujahrsempfang hatte Voves von „religiös motivierten“ Migranten und „Unterwanderung“ gesprochen. „Jetzt nicht zu handeln wäre grob fahrlässig.“ Im Landtag führte er weiter aus: „Unsere Rechtsordnung sollte es in Zukunft besser ermöglichen, gegen falsch verstandene Toleranz vorgehen zu können.“ So dürfe nicht hingenommen werden, dass ein muslimischer Bub seine Lehrerin nicht akzeptiere, weil sie eine Frau sei. Und auch muslimische Mädchen hätten am Schwimmunterricht teilzunehmen.

„Rechte Rülpser“ sind das für die SJ-Chefs von Oberösterreich, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg. „Wir wollen es nicht länger hinnehmen, dass Teile der SPÖ aus wahltaktischen Motiven nach rechts schielen.“ Womit die SPÖ wieder einmal eine Rechtsruck-Debatte am Hals hat.

Abgesehen davon, dass in der jüngeren Parteigeschichte sogar die Wahl Bruno Kreiskys zum Parteivorsitzenden vielen Genossen als Rechtsruck galt, wurde dieser Begriff dann in den Neunzigerjahren von den SPÖ-Innenministern Franz Löschnak und Karl Schlögl erst so richtig mit Leben erfüllt. Es war die Zeit, als das Ausländerthema die Politik zu bestimmen begann. Unter dem Eindruck der FPÖ-Wahlerfolge Jörg Haiders verstärkten die Innenminister ihre Law-and-Order-Rhetorik und auch die Parteiführung schwenkte auf eine restriktivere Linie in der Zuwanderungspolitik ein.

Kärntner FPÖ-SPÖ-Koalition

Bestimmend für die Verortung der SPÖ im Links-rechts-Schema blieb die Haltung zur FPÖ. Eine Koalition auf Bundesebene war zwar ein No-go, auf Landesebene sah es allerdings schon anders aus. 2004 ging die traditionell eher rechtere Kärntner SPÖ eine Koalition mit Haiders Freiheitlichen ein – sie dauerte bis 2006.

Nach der steirischen Landtagswahl 2010 forderten etliche Sozialdemokraten eine Koalition mit der Landes-FPÖ, um sich aus der Koalition der Verlierer mit der ÖVP zu lösen. Franz Voves entschied sich dennoch wieder für die ÖVP.

Noch weiter ging Hans Niessl. Er ließ im Vorjahr die SPÖ-Mitglieder darüber abstimmen, ob er nach der Landtagswahl 2015 auch eine Koalition mit der FPÖ eingehen dürfe. Das Ergebnis war im Sinne Niessls überwältigend – 88,9 Prozent waren dafür.

In den Kommunen sind die Berührungsängste noch geringer: Graz wird von Schwarz-Rot-Blau regiert. Es gibt zwar kein offizielles Koalitions-, jedoch ein Arbeitsübereinkommen, das der ÖVP-Bürgermeister 2013 Seite an Seite mit den Chefs von SPÖ und FPÖ präsentierte. Im selben Jahr forderten dann der Landesparteichef der SPÖ Salzburg, der Arbeiterkammer-Präsident von ebendort und der Vorarlberger ÖGB-Chef ein Ende der Ausgrenzung der FPÖ.

Mit der FPÖ hat auch der aktuelle Vorstoß von Franz Voves zu tun: Er und andere wollen das Thema Integrationsversagen nicht mehr länger allein den Freiheitlichen überlassen.8

WAS BISHER GESCHAH

Paris und die Folgen. Unter dem Eindruck der Attentate hat Landeshauptmann Franz Voves ein härteres Vorgehen gefordert: Bei offensichtlicher Integrationsunwilligkeit sollte es Strafen geben. Dass Buben und deren Eltern Lehrerinnen ablehnen und Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen dürfen, gehe nicht. Burgenlands Hans Niessl pflichtete Voves bei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2015)

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