Eine progressiv-konservative Rebellin

Schittenhelm
Schittenhelm(c) Clemens Fabry - Die Presse
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Mal laut, mal kleinlaut: ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm schafft es immer wieder anzuecken: mit linken und mit rechten Positionen. Und nervt damit unter anderem auch ihre eigenen Parteiobmänner.

Zum jetzigen Zeitpunkt sage sie Nein. Weil sie der Auffassung sei: „Das Kind und das Kindeswohl stehen im Mittelpunkt.“ So begründete Dorothea Schittenhelm, ÖVP-Frauenchefin und Nationalratsabgeordnete, Ende der Vorwoche gegenüber der „Presse“, warum sie einem Gesetz, das Homosexuellen die Adoption von Kindern ermöglichen soll, nicht zustimmen werde. Man könne sie aber gern vom Gegenteil zu überzeugen versuchen.

Am darauffolgenden Montag, bei der ÖVP-Klubklausur im steirischen Pöllauberg, gab sich Schittenhelm auf die Frage, ob man sie schon überzeugt habe, dann kleinlaut: Man möge sich in dieser Causa bitte an den Parteichef wenden.

Man kann allerdings davon ausgehen, dass sich der Parteichef in dieser Causa bereits an sie gewandt hat. Denn nichts verträgt Reinhold Mitterlehner weniger als Parteifunktionäre, die in der Öffentlichkeit dissidente Positionen vertreten.

Ein Déjà-vu.

Immer Zoff mit Spindelegger

Im Jahr 2013 wollte Mitterlehners Vorgänger, Michael Spindelegger, den bisherigen Klubchef, Karlheinz Kopf, zum Nationalratspräsidenten machen. Doch plötzlich schlug ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm via Austria Presse Agentur die frühere Finanzministerin Maria Fekter als Kandidatin vor. Eine Kampfabstimmung drohte. Allerdings nicht lang. Denn eine Stunde später revidierte Schittenhelm ihre Meinung wieder: „Ich werde keinen Kontravorschlag zum Parteiobmann machen, das tu ich nicht.“

„Sie macht das wahrscheinlich nicht einmal bewusst, sie ist einfach ungeschickt“, meint eine Parteikollegin über Schittenhelm. Und ein wenig stur ist sie auch. Schittenhelm will gern mit dem Kopf durch die Wand.

Mit Spindelegger konnte Schittenhelm nie – das galt auch umgekehrt. Als Reinhold Mitterlehner Parteichef wurde, schien sich das Verhältnis der Frauenchefin zur Parteiführung deutlich zu entspannen. Sie wurde sogar Klubobmannstellvertreterin. Und Mitterlehner versprach auch gleich, Schittenhelms derzeit wichtiges Anliegen, das „Reißverschlusssystem“ bei der Listenerstellung für Nationalratswahlen – auf Mann folgt Frau folgt Mann beziehungsweise umgekehrt – ernst zu nehmen. Schittenhelm will ein solches System allerdings nicht nur für die ÖVP-Liste, sondern für alle Listen.

Mit und gegen Rot-Grün

Hier liegt sie ganz auf einer Linie mit der SPÖ und den Grünen. Beim sogenannten Levelling-up hingegen sieht es anders aus. Es geht hierbei um einen auf Alter, Religion, Weltanschauung oder sexuelle Orientierung ausgeweiteten Diskriminierungsschutz. Wer beispielsweise seine Wohnung nicht an Homosexuelle vermieten will, dem könnte Schadenersatz wegen erlittener Kränkung drohen. Dieses von Rot und Grün betriebene Vorhaben – ein Gesetzesentwurf liegt im Sozialministerium auf Eis – wird von Schittenhelm bekämpft.

Und sie eckt damit auch bei ÖVP-Frauen an. Maria Graff, ÖVP-Frauensprecherin im ersten Wiener Gemeindebezirk, nannte Schittenhelms Weltbild deswegen „vorsintflutlich“. Sie betreibe „auf schäbigste Weise“ Stimmenfang am rechten Rand. Graff und Schittenhelm sollen allerdings schon zuvor nicht die allerbesten Freundinnen gewesen sein.

Die Frage, ob sie Feministin sei, hat Dorothea Schittenhelm vor einem Jahr in einem „Presse“-Interview erst nach einigem Zögern mit Ja beantwortet. Eine „fäusteschwingende Emanze“ sei sie jedenfalls nicht.

Dabei war Schittenhelm gemeinsam mit Maria Rauch-Kallat auf ÖVP-Seite eine der treibenden Kräfte für die neue, um die Töchter erweiterte Bundeshymne. Und damit wieder ganz auf Linie mit Rot und Grün. Nicht so jedoch beim Kindergeld: Hier will Schittenhelm die längste Variante – 30 plus sechs Monate – unbedingt beibehalten. Für linke Politikerinnen ein Hemmnis für den Wiedereinsteig von Frauen, das es nicht mehr länger geben sollte.

Auch die dafür zuständige Familienministerin Sophie Karmasin soll von Schittenhelm mitunter genervt sein. Das kann natürlich auch damit zusammenhängen, dass Schittenhelm beim Amtsantritt der Quereinsteigerin gemeint hat, die ÖVP-Frauen hätten auch qualifiziertes Personal für das Familienministerium gehabt.

Bis 2014 Bürgermeisterin

Dorothea Schittenhelm – eine widersprüchliche Persönlichkeit. Resolut und bieder, mal progressiv, mal konservativ. Bis vor Kurzem war sie auch Bürgermeisterin: im niederösterreichischen Bisamberg. Seit 2000 übte sie das Amt aus. Bei der morgigen Gemeinderatswahl tritt sie nicht mehr an. Geboren wurde Schittenhelm in Strem im Burgenland, sie ist gelernte Zahnarzthelferin, hat zwei Kinder und ist mit dem früheren Kommandanten der Landesverteidigungsakademie, General i.R. Raimund Schittenhelm, verheiratet.

Und ihr politisches Vorbild? Ist ein Mann. Und heißt nicht Michael Spindelegger – sondern Wolfgang Schüssel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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