Nicht zu links, aber auch nicht zu weit rechts: Die SPÖ streitet über ihre Positionen in der Integrationspolitik. Ob Verwaltungsstrafen für nachlässige Eltern kommen, bleibt vorerst offen.
Wien. Hans Niessl mit Franz Voves. Michael Häupl für Hans Niessl, aber gegen Franz Voves. Franz Voves gegen Michael Häupl. Und Werner Faymann? Irgendwo dazwischen.
Es war am Freitag nicht einfach, den Überblick über Allianzen und Dissonanzen in der SPÖ zu behalten. Von außen ließ sich nur ein Schluss ziehen: Die Kanzlerpartei sucht nach einer einheitlichen Linie in der Integrationspolitik, die nicht zu links sein darf, um der FPÖ wenig Spielraum zu lassen, aber auch nicht zu weit rechts, denn das passt nicht zu den Grundwerten der SPÖ.
„Ein Sozialdemokrat hat zu reden wie ein Sozialdemokrat und nicht wie die Pegida“, richtete der Wiener Bürgermeister Michael Häupl frühmorgens im ORF-Radio dem steirischen Landeshauptmann Franz Voves aus. Außerdem lasse sich mit „rechtspopulistischer Mimikry“ keine Wahl gewinnen. Eine solche haben heuer beide, Häupl und Voves, zu schlagen.
Was war geschehen? Der steirische Landeshauptmann hatte vergangene Woche schärfere Sanktionen für Migranten gefordert, die sich – etwa in Schulen – nicht integrieren wollen. Unterstützung bekam Voves von seinem burgenländischen Amtskollegen Hans Niessl, der heuer ebenfalls zur Wahl steht. Häupl aber ärgerte sich nicht über Niessl, sondern über Voves, denn der hatte auch beanstandet, dass sich die SPÖ dem Thema Integration bisher verweigert hat. Was vor allem als Kritik an der Wiener Landespartei zu verstehen war.
Häupl wollte das nicht auf sich sitzen lassen: Die Aussagen zeigten nur, wie sehr sich Voves, der nach der Nationalratswahl aus allen Funktionen in der Bundes-SPÖ zurückgetreten war, von der „Gesamtbewegung der Sozialdemokratie“ entfernt habe. Inhaltlich gab ihm Häupl allerdings zum Teil recht, zumal auch er sich vorstellen kann, schärfer gegen Integrationsverweigerer in den Schulen vorzugehen.
Werner Faymann war inzwischen bemüht, die Dinge kleinzureden. Einen internen Streit kann der SPÖ-Chef, der seit dem Parteitag im November ohnehin geschwächt ist, nicht brauchen. Deshalb sagte er Freitagnachmittag nach der Sitzung des Parteipräsidiums: „Ich sehe eine breite Übereinstimmung in einer bekannt lebhaften SPÖ.“
Zweites Kindergartenjahr
Inhaltlich bedeutet das, dass sich die Partei für zwei ihrer alten Forderungen einsetzen wird: ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr und politische Bildung in den Schulen. Verwaltungsstrafen für Eltern, die nicht mit den Schulen kooperieren wollen und zum Beispiel Elternsprechtage schwänzen, wollte Faymann weder gutheißen noch ablehnen. Diese Forderung hatte Niessl in Übereinstimmung mit Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) erhoben. Der Kanzler delegierte diese Frage an die Schulpartner.
Derzeit können Verwaltungsstrafen bis zu 440 Euro gegen Eltern verhängt werden, die nichts gegen das Schulschwänzen ihrer Kinder unternehmen. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek kann sich „Nachschärfungen“ vorstellen, ließ vorerst aber offen, ob diese Strafmöglichkeit auch auf andere Verletzungen der Schulpflicht ausgedehnt werden soll. Wie überhaupt noch kein SPÖ-Politiker definiert hat, was alles unter den Tatbestand „Integrationsunwilligkeit“ fallen würde.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) möchte Strafen nach Möglichkeit vermeiden. Davor sollte man den Jugendlichen und ihren Eltern Angebote unterbreiten – „auch den österreichischen“.
Mitterlehner: Distanz zu Kurz
Auch in der ÖVP sind die Details noch nicht geklärt. Parteichef Reinhold Mitterlehner hält es mit seinem Sozialpartnerfreund Hundstorfer: Strafen, so der Vizekanzler am Freitag, seien „das letzte Mittel“. Damit werde man kaum jemanden überzeugen können. Das war auch als Absage an Integrationsminister Kurz zu verstehen, der Verwaltungsstrafen bis zu 1000 Euro für Eltern gefordert hatte, die etwa Vorladungen in die Schule ignorieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)