Leitl zu Betrug: "Solche Beträge sind nie und nimmer drinnen"

APA/HERBERT PFARRHOFER
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Der Wirtschaftskammer-Präsident beklagt im "Presse"-Interview „unangenehme Details“ der Steuerreform, setzt aber auf weitere Verhandlungen mit den Betroffenen.

Die Presse: Wie unzufrieden sind Sie mit der Steuerreform?
Christoph Leitl:
Das muss man sehr differenziert sehen. Unsere Ziele waren eine Stärkung der Kaufkraft, eine Entlastung des Mittelstands und die Abwehr von Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögensteuern. Aus unserer Sicht hätte es keiner Gegenfinanzierung bedurft, um diese Ziele zu erreichen. Jetzt haben wir doch eine Gegenfinanzierung erhalten, die in einigen Bereichen sehr unangenehm ist. Aber da Kanzler und Vizekanzler jetzt Gespräche mit den Betroffenen versprochen haben, sehe ich die Sache auf einer konstruktiveren Schiene.

Es kann noch nachverhandelt werden.
Es wird sicherlich noch Gespräche geben, weil es viele Beispiele gibt, die aus der Praxis kommen und die man nicht einfach übergehen kann.

Was ist besonders unangenehm?
Beispielsweise, dass im Tourismus bei der Betriebsübergabe mit Verkehrswert gearbeitet wird. Da können wir Beispiele vorrechnen, die es eigentlich nicht geben darf. Wenn man einen Betrieb übergibt, sollte man gefördert und nicht bestraft werden.

Gilt das nur für den Tourismus?
Der Tourismus ist hier mehrfach unter Zugzwang gekommen, aber im Prinzip gilt das generell.

Was wäre eine Regelung, mit der Sie leben könnten?
Das werden die Verhandlungen ergeben. Bisher sind ja eigentlich nur Überschriften bekannt. Der Teufel steckt im Detail, und jetzt wollen wir uns die Details anschauen. Wir müssen pragmatische Regelungen finden. Sie werden nicht unbedingt angenehm sein, aber sie müssen lebbar und unbürokratisch handhabbar sein.

Die Regierung will 1,9 Milliarden Euro durch die Betrugsbekämpfung hereinbekommen. Halten Sie das für realistisch?
Wenn ich den ganzen Pfusch mit 21 Milliarden Euro dazurechne, dann könnte das mit den richtigen Instrumenten durchaus ein Volumen sein. Vielleicht nicht im nächsten Jahr, aber in zwei bis drei Jahren.

Bei den großen Volumen hat die Regierung eher nicht den Pfusch, sondern die Registrierkasse im Auge.
Nein, sie hat auch den Sozialbetrug drinnen. Das gilt es jetzt abzuarbeiten. In der Wirtschaft allein sind solche Beträge nie und nimmer drinnen, das weiß jeder, der von der Sache eine Ahnung hat.

Die Registrierkasse bringt nicht so viel?
Die Registrierkasse muss erst einmal anwendbar sein. Stellen Sie sich eine Skihütte vor, in die zu Mittag ein paar hundert Leute stürmen oder vor der sie draußen im Schnee sitzen. Was soll man da machen? Soll man zehn Registrierkassen verteilen, die bei einer Temperatur von minus zehn Grad nicht funktionieren? Das ist alles noch zu überdenken. Theoretisch lassen sich solche Rechnungen leicht aufstellen, aber in der Praxis schaut das ganz anders aus. Unsere Aufgabe ist es jetzt, diese praktische Erfahrung einzubringen.

Die Finanz soll sich künftig alle Konten ansehen können. Ist das etwas, womit Sie leben können?
Ich kann dann damit leben, wenn es einen begründeten Betrugsverdacht gibt. Wir sind gegen Betrug, aber einfach aus heiterem Himmel, weil es gerade jemandem passt, Kontenöffnungen zu verlangen, ist sicher nicht unser Zugang.

Bei Betrugsverdacht ist das ja jetzt schon möglich.
Dann soll es dabei bleiben.

Wie sehr sind Sie mit den Ansätzen zu einer Verwaltungsreform zufrieden?
Die Regierung hat sich das vorgenommen. Ich verlange, dass jetzt ein genauer Zeit- und Maßnahmenplan vorgelegt wird. Denn in der Vergangenheit haben wir bei jeder steuerlichen Abkassiererei immer gehört: „Jetzt kommen die Reformen.“ Und sie sind ausgeblieben, bis zur nächsten Abkassiererei. Dieses Spielchen machen wir nicht mehr mit.

Wie soll die Pensionsreform aussehen, die jetzt kommen soll?
Das sollen die Experten untereinander besprechen. Mir ist es wichtig, das Pensionsantrittsalter anzuheben, wie in Schweden, der Schweiz oder in Deutschland. Da muss man schon fragen, was so anders in diesen Ländern ist, dass die Leute länger arbeiten und mit großer Mehrheit gern arbeiten, weil sie Anreize erhalten, die es bei uns nicht gibt.

An welche Anreize denken Sie?
Wenn ich die Hälfte der durchschnittlichen Pension im System belasse, kann ich dem Betrieb 3000 Euro geben und dem betroffenen Arbeitnehmer auch 3000 Euro. Mit der Prämie könnten wir viele Facharbeiter in Beschäftigung halten.

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