Sexuelle Belästigung: Umarmung könnte strafbar werden

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Das Anfassen des Gesäßes soll mit Haft bedroht werden. Strafrechtsexperten warnen: Der Paragraf sei so formuliert, dass selbst Begrüßungen oder Handlungen beim Tanzen darunterfallen.

Wien. Es ist ein Anliegen von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, dem im Zuge der Strafrechtsreform Rechnung getragen werden soll: Das Anfassen des Gesäßes soll künftig mit bis zu sechs Monaten Haft oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen geahndet werden. Der Entwurf sorgt aber für Diskussionen. Denn der geplante neue Paragraf 218 („Sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen“) ist so formuliert, dass noch viel mehr darunter subsumiert werden könnte als das Berühren des Beckens.

„Der Tatbestand ist sehr unbestimmt. Auch Umarmungen könnten darunterfallen“, sagt Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an der Uni Wien. Komme der Tatbestand wie vorgesehen, sollte man wohl zumindest bei Personen, die man nicht gut kennt, nachfragen, bevor man sie zur Begrüßung umarmt, sagt der Professor zur „Presse“. Sein Innsbrucker Kollege Klaus Schwaighofer hegt ähnliche Befürchtungen. Laut dem Gesetzentwurf soll künftig nämlich nicht nur (wie bisher) die Belästigung durch eine ungewünschte geschlechtliche Handlung strafbar sein. Sondern auch bereits „eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“.

Und das kann vieles sein. Flüchtige Bewegungen würden zwar noch nicht für eine Strafbarkeit ausreichen. Aber „eine Annäherung, um mit einer Person näher in Kontakt zu kommen, etwa beim Tanzen, geht regelmäßig so vor sich, dass der Arm um die Hüfte oder den Hals gelegt wird“, analysiert Schwaighofer. Oder man denke an den Fall, „dass man auf einer Bank sitzend die Hand auf den Oberschenkel legt“. All diese Annäherungen wären künftig von Strafbarkeit bedroht, sofern der andere Part eine Strafverfolgung anstrebt. Schließlich sind all die genannten Beispiele rund ums Tanzen „vermutlich mehr als bloß flüchtige Berührungen, von einem überraschenden Kuss ganz zu schweigen“, sagt der Innsbrucker Professor.

Wie die Justiz das Gesetz in der Praxis auslegen würde, ist freilich nicht vorherzusagen. Die Formulierung im Gesetz („sexuelle Sphäre im weiteren Sinn“) hält Schwaighofer für jedenfalls viel zu weit: „Die Haut ist generell ein sexuelles Organ im weiteren Sinn“, sagt er. Wie auch Fuchs appelliert Schwaighofer, auf die Ausweitung des Paragrafen 218 ganz zu verzichten. Man dürfe nicht alles kriminalisieren, sagt Schwaighofer. Und das „Grapschen“ in Richtung Hinterteil „kann ohnehin strafbar sein, wenn sich der Täter einem Geschlechtsteil nähern will“.

Denkbar wäre es zudem schon jetzt, das Anfassen des Gesäßes als Beleidigung (§115 StGB, bis zu drei Monate Haft) geltend zu machen. Aber nur, wenn der Vorfall vor anderen Leuten passiert. Zudem sehen die Gesetze einiger Bundesländer vor, das Anfassen des Gesäßes als Anstandsverletzung verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden. Passiert der Vorfall in der Arbeit, ist ein zivilrechtlicher Schadenersatz bereits durch das Gleichbehandlungsgesetz vorgesehen.

Heinisch-Hosek hat stets erklärt, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichend seien. So sei das Anfassen des Gesäßes etwas anderes als eine Parkstrafe und gehöre nicht ins Verwaltungsstrafrecht. Den StGB-Entwurf begrüßt sie: Das „Grapschen“ in Richtung Hinterteil werde nun nicht mehr als Kavaliersdelikt behandelt, sondern strafbar. Ins Rollen gebracht hat die Diskussion 2012 ein Vorfall in Graz („Die Presse“ berichtete). Die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige einer Frau wegen sexueller Belästigung zurückgelegt. Ein Mann hatte die Frau trotz eines ausdrücklichen Nein am Gesäß angefasst.

Brandstetter: SPÖ wollte es so

Justizminister Wolfgang Brandstetter betonte gegenüber der „Presse“, dass die Formulierung im Entwurf auf Heinisch-Hosek zurückgeht: „Sie wollte das jetzt einmal so haben, damit es zur Freigabe des Entwurfs zur Begutachtung kommen konnte.“ Im Rahmen der sechswöchigen Begutachtungsfrist „wird man sich auch überlegen müssen, ob der eine oder andere Tatbestand vielleicht von der Formulierung tatsächlich zu unbestimmt ist“, sagt Brandstetter zur StGB-Reform. Dabei werde man auch prüfen, ob schon das Umarmen unter den neuen §218 fiele: „Ich kann durchaus nachvollziehen, dass es hier Kritik gibt.“

NOVELLE

Leitartikel zur Strafrechtsreform: Seite2§218 StGB soll so geändert werden, dass nicht nur eine ungewünschte geschlechtliche Handlung strafbar ist, sondern auch eine „nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung“, sofern man jemanden so belästige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2015)

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