Was Steuerhoheit den Ländern bringt

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Manche Bundesländer wollen künftig selbst Steuern einheben können. Das könnte zu Sparsamkeit und Wettbewerb führen – aber auch zu höheren bürokratischen Hürden.

Wien. Bei den soeben begonnenen Verhandlungen zur Neuordnung des Finanzausgleichs steht auch das Thema Steuerhoheit für die Länder auf der Tagesordnung – und das wäre geeignet, das Verhältnis zwischen Bund und Ländern auf eine neue Basis zu stellen. Ob diese Möglichkeit, auf Landesebene Steuern einzuheben, auch kommen wird, ist offen: Die ÖVP-regierten Länder haben sich – zumindest nach außen hin – dafür ausgesprochen, die SPÖ-Länder stehen eher auf der Bremse. Aber da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen – und zwar auf beiden Seiten. Klar ist jedenfalls: Eine derartige Änderung des Steuersystems hätte gravierende Auswirkungen:

1 Eigene Steuern animieren zu Sparsamkeit und Wettbewerb

Die Idee hinter der Einführung der Steuerhoheit für die Bundesländer klingt bestechend: Die derzeit herrschende Praxis, wonach der Bund die Steuern einhebt und die Länder das Geld ausgeben, wäre beendet. Landespolitiker, die zu großzügig Geschenke verteilen, müssten sich dann gleichzeitig für hohe Landessteuern verantworten. Das sorgt automatisch für mehr Sparsamkeit – auch in der Verwaltung.

Der zweite Vorteil von Landessteuern: Ein Wettbewerb um Betriebsansiedlungen könnte entstehen, die Länder hätten es selbst in der Hand, ihren Standort attraktiver zu machen. Und das wiederum führt tendenziell zu einer Senkung der in Österreich ohnehin viel zu hohen Steuerquote.

2 Droht ein ruinöser Standortwettbewerb?

Der Vorteil des Wettbewerbs kann sich auch in einen Nachteil verkehren: Wenn sich im Wettrennen um die Ansiedlung von Betrieben die Regionen gegeneinander ausspielen lassen und die Steuersätze zu sehr nach unten drücken, könnten wichtige Aufgaben des Staates – etwa im sozialen Bereich, nicht mehr finanzierbar sein. Erfahrungen aus der Schweiz, wo es die Steuerhoheit für die Kantone in einem gewissen Ausmaß gibt, zeigen aber, dass dieser Effekt bisher nicht eingetreten ist.

3 Wie Steuerhoheit für die Länder funktionieren könnte

Logisch wäre, dass man Ländern und Gemeinden die Entscheidung überlässt, wie hoch sich Grund und Boden besteuern wollen. Allerdings: Da handelt es sich zumindest derzeit eher um Bagatellsteuern. Einen echten Steuerwettbewerb gäbe es erst, wenn man den Ländern zumindest einen Teil der großen Brocken überlässt. Von denen gibt es drei: Umsatzsteuer, Lohn- und Einkommenssteuer sowie die Körperschaftssteuer.

An eine Verländerung der Umsatzsteuer denkt allerdings niemand, denn dies würde zu unsinnigen bürokratischen Hürden im innerstaatlichen Handel führen. Die anderen beiden Blöcke wären aber sehr wohl prädestiniert für einen Steuerwettbewerb. Die Körperschaftssteuer wäre das Schlüsselargument für Betriebsansiedlungen. Und für die Einkommenssteuer ist der Wohnsitz entscheidend, Wien würde sich da mit den niederösterreichischen Umlandgemeinden matchen.

Technisch könnte die Verländerung so aussehen, dass der Bund weiterhin einen fixen Steuersatz vorschreibt, die Länder aber das Recht hätten, in einem gewissen Rahmen einen Zuschlag einzuheben.

4 Wer die Gewinner und die Verlierer einer Umstellung wären

Wirtschaftsstarke Regionen mit vielen Betrieben und hohen Einkommen wären klarer Gewinner einer Verländerung. Wien und Salzburg würden höhere Steuereinnahmen lukrieren, Tirol und Vorarlberg gleich gut aussteigen, die anderen Bundesländer verlieren. Gerade in den starken Regionen wäre der Anreiz, Steuern zu senken, geringer. Dort gibt es auch andere Gründe für Betriebsansiedlungen. Schwache Regionen würden darauf setzen, mit niedrigeren Steuern die Wirtschaft anzukurbeln. Sinnvoll wäre aber sicherlich ein innerstaatlicher Ausgleich zwischen starken und schwachen Regionen, wie er auch in der Schweiz praktiziert wird.

5 Was gegen die Steuerhoheit für die Länder spricht

Jetzt schon wird allgemein die rechtliche Zersplitterung durch den Föderalismus beklagt: Neun Bauordnungen schaffen schon bürokratische Hürden. Neun Lohnsteuergesetze brächten zusätzliche Probleme für Unternehmen, die österreichweit tätig sind. Auch eine unterschiedliche Körperschaftssteuer würde zu komplizierten Verrechnungen führen: Da müsste jeweils geklärt werden, wo ein Betrieb, der mehrere Standorte hat, jeweils seine Gewinne erwirtschaftet. Es stellt sich auch die Frage, ob die Landesbehörden auch jeweils eine eigene Steuerverwaltung aufbauen muss, oder ob das der Bund mitübernehmen kann.

ZEITPLAN

Steuerreform. SPÖ-ÖVP-Differenzen um Details des Steuerpakets verzögern die Begutachtung. Es geht besonders um die höhere Grunderwerbsteuer bei Betriebsübergaben. Tourismus und Wirtschaft bekämpfen dies. ÖVP-Zugeständnisse gehen der SPÖ nun zu weit. Der Plan, die Steuerreform im Juli zu beschließen, bleibt aber aufrecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2015)

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