Eurofighter: "Woodstock" fliegt in Zeltweg

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

2014 wurde die letzte Rate bezahlt, die hohen Betriebskosten bleiben aber. Das Heer arbeitet daran, die Jet-Erhaltung so billig wie möglich zu gestalten, obwohl im Juni ein großer Einsatz bevorsteht. Kann das funktionieren?

Zeltweg. Wenn es so etwas wie Stau im Luftraum gibt, dann ist das an diesem Nachmittag der Fall: In Österreichs Höhen sind Dutzende Maschinen unterwegs. Am Horizont ziehen zwei Flieger vorbei, eine Boeing befindet sich so nahe, dass man schon den Schriftzug auf dem Bauch des Flugzeugs lesen kann: British Airways.

Auch die Sicht auf das Murtal ist ungetrübt. Häuser, Flüsse, Berggipfel – man sieht sie glasklar. Kurzum: Der Flug mit dem Eurofighter verläuft nach Plan. Pilot Dieter Springer – Pilotenspitzname „Woodstock“– sitzt entspannt im Cockpit. Aber nur kurz. Plötzlich leuchtet es rot auf dem Bildschirm: Das rechte Triebwerk brennt, meldet das System. Springer bewegt den Jet schnellstens in Richtung Landebahn.

Der Brand, der Flieger, das Dorf: Die Bilder sind nicht real – sie werden von 16 Projektoren auf eine Kuppel ausgestrahlt. Springer befindet sich zwar tatsächlich in Zeltweg. Nur nicht auf der Piste – sondern in einem Eurofighter-Simulator. In dem technischen Konstrukt sollen er und seine Kollegen üben.

Das ist nicht nur praktisch, weil jede Krisensituation ohne Risiko durchgespielt werden kann. Es ist vor allem auch günstig. Schließlich wurden im Heer in der jüngsten Vergangenheit einige Sparmaßnahmen getroffen, mit dem neuen Finanzrahmen drohen auch weitere. Das Ergebnis: Die Anzahl der Eurofighter-Piloten wurde reduziert. Zwölf Mann sind noch für die 15 Kampfflugzeuge im Dienst.

„Das ist die Schmerzgrenze“

Und es gibt auch weniger Flugstunden – statt 1200 Stunden ist das Personal nur noch 1070 Stunden im Jahr in der Luft. „Ich fliege ein- bis zweimal pro Woche circa eine Stunde“, erzählt Pilot Springer. „Das ist die untere Schmerzgrenze – im internationalen Vergleich ist das nicht viel“, sagt er. Umso wichtiger sei es eben, das Training zu optimieren.

Der Flug im Simulator ist überraschend real. Schon beim (für untrainierte Journalistenmägen) sanften Start bei 300 km/h scheint sich der Raum zu drehen. Nur die Zentrifugalkräfte im Jet müssen eigens in Deutschland antrainiert werden. „Im Flieger wiege ich schließlich umgerechnet 800 Kilo“, sagt Springer. Das Szenario, das er vorhin im Simulator getestet hat, ist tatsächlich schon in der Realität vorgekommen: Erst im vergangenen Oktober musste ein Jet wegen der gleichen Triebwerksbrandwarnung in Innsbruck notlanden. Kurz davor wurden Produktionsmängel am Rumpf des Jets öffentlich.

Wie ist es also, in einem politisch so umstrittenen System zu arbeiten? Man müsse sich oft rechtfertigen, auch im privaten Umfeld, meint Springer. In Zeltweg ist man daher umso bemühter, den Vorwurf zurückzuweisen, dass man Steuergeld verschwenden würde. Man habe hier mit den Einsparungen sehr wohl zu kämpfen, heißt es. Trotz aller Herausforderungen könne man aber im Notfall innerhalb von 30 Minuten an jedem x-beliebigen Ort in Österreich sein. Wenn nicht schneller.

Zumindest zu Zeiten, in denen auch die aktive Luftraumüberwachung (also mittels Abfangjäger) vorgesehen ist: Die Jets stehen prinzipiell im Zeitraum von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bereit. Als Einsparungsmaßnahme sind sie aber je nach Bedarf zu unterschiedlichen Zeiten im Einsatz. Ausnahmen gibt es aber auch: Wenn im Juni das Bilderberg-Treffen in Tirol und der G7-Gipfel im nahen Bayern stattfinden, herrscht hier Hochbetrieb: „Dann ziehen wir durch“, formuliert man es in Zeltweg. Soll heißen: Die Piloten stehen rund um die Uhr für einen möglichen Einsatz bereit.

Startbereit in der Box

Das kostet natürlich auch: Der einwöchige Einsatz rund um das vergangene Weltwirtschaftsforum in Davos zum Beispiel habe in diesem Jahr etwa so viel gekostet wie sechs Monate des üblichen Betriebs. Ist die Crew vorgewarnt, können die Piloten sogar schon startbereit auf der Piste und im Flieger sitzen. In ruhigen Zeiten warten die Jets zusammen mit dem Personal in ihrer Box auf einen möglichen Einsatz. Innerhalb von zehn Minuten ist er aber startklar. „Jede Woche gibt es einen solchen Alarmstart“, erzählt Springer.

Meist sind es Linienflieger, die entweder unabsichtlich von der Route abweichen oder vergessen, Informationen zu melden. Wenn sie dann an ihrer Seite zwei Jets – die kleinste mögliche „Rotte“ – erblicken, würde sich das Problem allerdings schnell wieder beheben.

Luftstreitkräfte-Chef Karl Gruber hat die Aufgabe, in einer Arbeitsgruppe mögliche weitere Einsparungen zu erarbeiten. Er lotet gerade eine engere Zusammenarbeit bei der Ausbildung der Eurofighter-Piloten aus, etwa mit Kroatien. Und auch bei der Nachwuchspflege müsse sich das Bundesheer etwas überlegen „das Bundesheer ist jetzt kein Arbeitsplatz, bei dem man als Junger seine Zukunft aufbauen will“. Das müsse man ändern. „Durch geburtenschwache Jahrgänge und Personalkürzungen werden wir uns aber auch überlegen müssen, wie wir unsere Aufgaben weiter erfüllen können.“

AUF EINEN BLICK

Eurofighter. Das Bundesheer besitzt 15 Eurofighter, zwölf Piloten sind dafür im Dienst. Vollgetankt wiegen die Jets 16 Tonnen, bewaffnet sind sie mit der Luft-Luft-Rakete IRIS-T. Die Ausbildung zum Piloten dauert sechs Jahre, u. a. arbeitet man bereits mit Deutschland und Italien zusammen. Und wieso wird man eigentlich Eurofighter-Pilot? „Eine gewisse Faszination fürs Fliegen muss einem schon in die Wiege gelegt worden sein“, sagt Pilot Dieter Springer. Das Auswahlverfahren sei hart: „Man braucht auch ein bisschen Glück.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.