Anwälte warnen vor Gefahren durch das Staatsschutzgesetz. Volksanwälte wollen Regeln für den Fall, dass etwas passiert. Rechtsschutzbeauftragter wäre überlastet.
Wien. Die intransparente Belohnung für Verbindungsleute sei rechtsstaatlich problematisch. Überhaupt „öffnet ein solches System der Anschwärzung und Verleumdung Tür und Tor“. Mit diesen Argumenten warnen Österreichs Anwälte vor dem Staatsschutzgesetz, dessen Begutachtungsfrist gestern, Dienstag, zu Ende ging.
War es bisher schon möglich, Beamte als verdeckte Ermittler im Umfeld von möglichen Straftätern einzusetzen, soll künftig jeder als V-Mann tätig werden können. Und für den Staat in verdächtige Organisationen eingeschleust werden. Eine Maßnahme, die laut Innenministerium nötig ist, um den neuen Gefahren Herr zu werden. So komme man in manche Gruppierungen nur noch hinein, wenn man bestimmte Sprachen beherrscht oder aus gewissen Kreisen kommt.
Das höchste Gremium der Anwälte, der Rechtsanwaltskammertag, fürchtet hingegen Probleme. Beispielsweise habe in Deutschland ein V-Mann-Veteran rund 800.000Euro erhalten. Als Abgeltung für seine Tätigkeit als führendes Mitglied der rechtsextremen NPD, deren Gründung laut Aussage des Mannes ohne das Geld des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen aber gar nicht erst stattgefunden hätte. Zudem sei die Partei so sehr mit V-Leuten durchsetzt gewesen, dass das Verbot der Partei vor Gericht scheiterte, weil nicht mehr klar war, ob nicht der Verfassungsschutz selbst die NPD führt. Generell drohe mangels richterlicher Überwachung ein Szenario, in dem die „politische und verfassungsrechtliche Kontrolle völlig ausgeschaltet ist“, sagen die Anwälte. Der Staatsschutz könne „völlig geheim und abgehoben arbeiten“.
Schwierige Rechtsfragen
Die Volksanwaltschaft betont zwar, dass es Verbindungspersonen schon gibt. Wenngleich bisher unklar war, ob konkrete Observationsaufträge zulässig sind. Volksanwältin Gertrude Brinek warnt vor allem vor „schwierigen Rechtsfragen“, die sich aus dem Einsatz der Vertrauenspersonen im Auftrag der Behörden ergeben. Etwa, ob der Bund haftet, wenn im Rahmen des Einsatzes eines V-Manns einem Dritten etwas zustößt. Oder, wenn der V-Person selbst etwas passiert. Diese Fragen müsse man noch regeln.
Dafür, dass bei V-Leuten alles mit rechten Dingen zugeht, soll der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium, Manfred Burgstaller, sorgen. Doch er erklärte, die neuen Aufgaben mit den jetzigen Kapazitäten „sicher nicht bewältigen“ zu können. Er könne das „persönlich nicht verantworten“, sagte der Strafrechtsexperte im ORF-Radio.
Schon zuvor hatten Experten angeregt, die Überprüfung der bezahlten Vertrauensleute besser an Richter zu übertragen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zeigt sich für diese Idee offen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2015)