Die Grünen vermissen hochwertige Diskussionen über politische Themen. Stattdessen dominiere ein rot-schwarzes "Hick-Hack".
Eine kleine Prise Aktionismus haben Burgenlands Grüne am Mittwoch dem Landtagswahlkampf verpasst. Landessprecherin Regina Petrik und der Landtagsabgeordnete Wolfgang Spitzmüller taten neben einem riesigen, aufblasbaren Nilpferd vor dem Landhaus ihren Unmut über das "Drübertrampeln" kund, wie es ihrer Ansicht nach in verschiedensten Spielarten in der Landespolitik praktiziert werde.
Was die Landtagsarbeit betreffe, sei es "fast unerträglich geworden", dass zu wichtigen inhaltlichen und politischen Themen keine qualifizierten, hochwertigen Diskussionen stattfänden, meinte Petrik. Stattdessen gehe es "fast immer nur um ein Hick-Hack zwischen Rot und Schwarz. Das ist ein Stil, der hängt auch vielen Bürgerinnen und Bürgern bereits zum Hals raus."
"Schnell und unbedacht Steuergeld verschwendet"
Ein Effekt dieses "Drübertrampelns" sei, dass "sehr schnell und unbedacht Steuergeld verschwendet" werde, kritisierte Petrik. Bei Postenbesetzungen werde über durchgeführte qualifizierte Aufnahmeverfahren "im letzten Punkt einfach drübergetrampelt", weil der Landeshauptmann (Hans Niessl, SPÖ, Anm.) einfach selbst bestimmen wolle, wer den Posten bekomme. Im Schulbereich hingen Lehrerbesetzungen und Direktorenbestellungen "massiv" davon ab, "welches Parteibuch jemand hat".
Anträge von Oppositionsparteien würden im Landtag "eigentlich nicht ernst genommen" angenommen, beklagte Spitzmüller: "Sie werden automatisch abgeändert, auch wenn nachher oft genau dasselbe drinnen steht, nur mit anderen Worten."
Über die absolute Mehrheit redet in der burgenländischen SPÖ schon lange keiner mehr. Es geht wohl eher in die andere Richtung: Laut Umfragen muss Landeshauptmann Hans Niessl mit Einbußen rechnen. Die Sozialdemokraten bewegen sich derzeit zwischen 44 und 46 Prozent, 2010 waren es noch 48 gewesen. Dass sie stärkste Partei bleiben werden, kann aber relativ gefahrenlos prognostiziert werden. Denn die Demoskopen sagen auch der ÖVP Verluste voraus.Spannender als das Ergebnis ist im Burgenland die Frage, was nach dem 31. Mai kommt. Der Proporz ist mit dem Wahltag Geschichte, erstmals wird eine Koalitionsregierung wie im Bund möglich. Auch gegen die SPÖ, wenn sie ihren Status quo – sie hat 18 von 36 Mandaten – nicht verteidigen kann. Dann könnte es auch eine Regierung ohne Niessl geben. Theoretisch, zumindest. Praktisch haben sich alle Herausforderer – siehe Porträts auf dieser Seite – dem Landeshauptmann schon als Partner angeboten.VON THOMAS PRIOR (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Trotzdem soll die Nervosität in der SPÖ zuletzt gestiegen sein. Dazu passt die dritte Plakatwelle, die einen lächelnden Landeshauptmann neben der aufschlussreichen Botschaft „Wer Niessl will, muss Niessl wählen“ zeigt.Für die humoristischen Beitrage sorgt im Wahlkampf die FPÖ. Dass sie mit dem Slogan „Heimische Könner statt Ost-Dumpinglöhner“ wirbt, wäre nicht weiter bemerkenswert, hätte ein „Krone“-Leser nicht fotografisch festgehalten, von wem die Plakate aufgeklebt werden: Der Mann war in einem Auto mit ungarischem Kennzeichen unterwegs. Die FPÖ beeilte sich klarzustellen, dass man eine österreichische Firma engagiert habe. Aber die habe den Auftrag weitergegeben. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Es ist lang her, dass die ÖVP stärkste Partei im Burgenland war. Zwischen 1945 und 1964 gewann sie fünf Wahlen und stellte mit Lorenz Karall, Johann Wagner und Josef Lentsch drei Landeshauptleute, dann kam es zum Wechsel. Seither regiert die SPÖ. Franz Steindl, Parteiobmann und Landeshauptmann-Stellvertreter seit 2000, hat zwei Mal – 2005 und 2010 – versucht, die Machtverhältnisse umzukehren. Beide Male aber konnte er Hans Niessl und der SPÖ nicht gefährlich werden. Vor fünf Jahren fiel die ÖVP auf 34,6 Prozent, einen neuen Tiefstand, zurück. Doch Steindl blieb im Amt. Weil die Umfragen noch schlechter gewesen waren. Und weil es keine Alternative zu ihm gab.Bei seinem dritten Antritt setzt der 55-Jährige auf die Themen Beschäftigung, Verkehr und Entwicklung des ländlichen Raums. Steindl würde der Landesregierung gern erhalten bleiben, daraus macht er kein Geheimnis – und das erwartet auch seine Partei von ihm. Aber in Post-Proporzzeiten ist das nicht mehr ausgemacht.Zuletzt hat sich Niessl öffentlich von Steindl distanziert und laut über eine Regierung ohne den Langzeitpartner nachgedacht, dafür aber mit einem – namentlich nicht genannten – Wirtschaftsexperten aus der Volkspartei oder ihrem Umfeld, der jedenfalls nicht Steindl heißt. Für den Stellvertreter in der Landesregierung, einen Volkswirt, in dessen Zuständigkeitsbereich das Wirtschaftsressort seit 15 Jahren fällt, war das ein Affront. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
Dabei war das Verhältnis der beiden in der sich zu Ende neigenden Legislaturperiode durchaus intakt. Vielleicht sogar besser als in den fünf Jahren davor. Doch von einer Reformpartnerschaft, wie sie die steirischen Großkoalitionäre pflegen, sind Niessl und Steindl weit entfernt.Ein Nachteil für den burgenländischen ÖVP-Chef ist auch, dass er – anders als Niessl – bundespolitisch keine Rolle spielt. Er kommt dort de facto nicht vor und hat dementsprechend wenig Gewicht im Parteivorstand. Den Umfragen zufolge wird sich das nach dem 31. Mai nicht ändern: Die ÖVP droht weiter zurückzufallen, auf 30 Prozent. Wie es in diesem Fall mit Steindls Karriere weitergeht, wagt niemand zu prognostizieren. Es könnte eng für ihn werden. Andererseits: Das hat man 2010 auch schon gesagt. (c) APA/ERWIN SCHERIAU (ERWIN SCHERIAU)
Hans Tschürtz, eben erst Landesparteiobmann im Burgenland geworden, musste im Umbruchsjahr 2005 nicht lang überlegen, ob er Jörg Haider ins BZÖ folgen oder der alten FPÖ treu bleiben sollte. Heinz-Christian Strache vergaß ihm diese Loyalität nie, man freundete sich an, und wenn Tschürtz einmal intern Probleme bekam, so wie vor zwei Jahren, konnte er sich der Unterstützung Straches sicher sein.Dabei gehört die burgenländische FPÖ mit knapp neun Prozent zu den schwächeren Landesparteien, nur die Niederösterreicher haben noch weniger Zustimmung erhalten. Wobei sich die FPÖ Burgenland angesichts einer SPÖ mit freiheitlichen Tendenzen traditionell sehr schwer tun. Auch Hans Niessl richtet seine Politik mitunter an der Stammtischmeinung aus. Derzeit will er Arbeitsplätze für Burgenländer reservieren und Grenzgemeinden wie Kittsee videoüberwachen lassen. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Für den 55-jährigen Tschürtz, einen karenzierten Polizisten, bleibt da thematisch wenig Platz, weshalb sich auch sein Wahlziel eher bescheiden ausnimmt: Man will mehr als zehn Prozent und, wenn möglich, mitregieren. Die Chancen für die erste Koalitionsregierung mit FPÖ-Beteiligung seit Langem sind intakt, da Niessl nicht abgeneigt ist. Von den SPÖ-Mitgliedern hat sich der Landeshauptmann bereits grünes Licht für Gespräche geben lassen. Inhaltlich ist man sich ohnehin näher, als viele Sozialdemokraten (im Bund) wahrhaben wollen. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
Wäre mit Stefan Wallner nicht ein ehemaliger Caritas-Generalsekretär heute Bundesgeschäftsführer der Grünen, vielleicht hätte eine Landessprecherin mit Nahverhältnis zur Kirche dann Exotenstatus in der Partei. So aber war es nichts Außergewöhnliches mehr, als die Wiener Pädagogin Regina Petrik 2010 die Vizepräsidentschaft in der Katholischen Aktion zurücklegte, um bei den burgenländischen Grünen anzuheuern.Außergewöhnlich war eine von Petriks ersten Amtshandlungen, die Aktion „Regina will's wissen“. Dabei machte sie zehn Jobs in zehn Monaten, eine Art Ferialpraxis für Fortgeschrittene. Sie war etwa Kellnerin und Supermarktkassiererin im Landesnorden und Fließbandmitarbeiterin im Süden. (c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
Man wird sehen, ob diese Form der Eigen-PR im rot-schwarzen Hoheitsgebiet Burgenland ankommt. Die Grünen haben jedenfalls mehr Potenzial als die aktuellen vier Prozent. Unter Grete Krojer und Joško Vlasich hatten sie zwei Mandate, unter Michel Reimon, mittlerweile EU-Abgeordneter, fielen sie vor fünf Jahren beinahe aus dem Landtag.Petriks Ziele bzw. Aufträge lauten: Wieder Klubstatuts zu erlangen und der Partei die siebente Regierungsbeteiligung zu bescheren. Für Ersteres braucht es jetzt, nach der Verfassungsreform, drei Mandate oder sieben Prozent. Was schwierig, aber nicht unmöglich ist. Zweiteres dagegen ist eher unrealistisch. Zumal man Hans Niessl keine besondere Grünen-Affinität nachsagt. (c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
Politisch ist Christian Schreiter – nennen wir es – weit gereist: Über die Umwege Junge ÖVP und Grüne Wirtschaft ist er schließlich bei den Neos gelandet, woraus sich eine Weltanschauung ergibt, die der 42-jährige Unternehmer als „grünliberal“ beschreibt.Darunter lässt sich vieles subsumieren, auch die Forderungen nach kürzeren Amtszeiten. Für Regierungsmitglieder soll nach zwei, für Abgeordnete nach drei Perioden Schluss sein. In den Landtag müssen die Neos aber erst kommen. Die fast 6000 Stimmen, die sie bei der EU-Wahl im Vorjahr erhalten haben, wären um 1500 zu wenig. [ Neos ] (c) NEOS (Wolfgang K�hteubl)
Manfred Kölly, einst Klubchef der FPÖ und erster freiheitlicher Bürgermeister des Landes, nämlich in Deutschkreutz, wurde 2006 aus der Partei ausgeschlossen – weil er mit der SPÖ einen Pakt geschlossen hatte, der den Freiheitlichen lukrative Jobs sichern sollte, so sie sich im Landtag kooperativ zeigen.Ein Jahr danach gründete Kölly mit Wolfgang Rauter, einem anderen FPÖ-Dissidenten, die Freie Bürgerliste, eine Plattform für Bürgerinitiativen und Namenslisten. Bei den Gemeinderatswahlen 2007 holte man auf Anhieb 30 Mandate. Der Umbenennung in Liste Burgenland drei Jahre später folgte nun, im Vorfeld der Landtagswahl 2015, ein Wahlbündnis mit dem Team Stronach. Auf den Plakaten ist Kölly mit Rouven Ertlschweiger zu sehen, der für Frank Stronach im Nationalrat sitzt.Weltanschaulich und handwerklich wirkt das Projekt – nicht nur des Slogans „Ausmisten“ wegen – sehr freiheitlich, aber eher in der Tradition Jörg Haiders, den Kölly einst bewundert hat. Man wettert gegen Parteibuchwirtschaft, will Jobs für Burgenländer reservieren, fordert Grenzkontrollen und eine Freifahrt für Pendler.In den Landtag hat es die Liste Burgenland 2010 ganz knapp, mit 4,00032 Prozent, geschafft. Dort will man auch bleiben. Falls das nicht gelingt, hat der 60-jährige Kölly ja noch einen anderen Job: Er ist nach wie vor Bürgermeister von Deutschkreutz. (c) APA/Christian Gmasz (Christian Gmasz)
Niessls Herausforderer – und mögliche Partner
Für die Grünen sei klar: "Es muss Schluss sein mit diesem Machtgehabe. Es muss Schluss sein mit Drübertrampeln, es muss Schluss sein mit Freunderlwirtschaft und Postenvergabe nach Parteibuch", sagte Petrik. Auch "Dauerstreit und Hackelwerfen" sollten der Vergangenheit angehören: "Das bringt diesem Land gar nichts."
Die Grünen hätten sehr konkrete Vorstellungen, wie man im Landtag, auf Gemeindeebene und in einer Regierungsverantwortung einen neuen Stil praktizieren könne, "der das gesamte politische Klima im Burgenland verbessern kann." Das beginne schon damit, dass man über Parteigrenzen hinweg applaudiere, wenn einem eine Rede gefalle, sagte Spitzmüller. Zum politischen Stil sollte es auch gehören, zu verhandeln, statt Anträge einfach abzulehnen. Und schließlich sollten Einzelabgeordnete Anträge einbringen können, ohne auf Unterstützung angewiesen zu sein.
Bei der ORF-Konfrontation aller Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gingen vor allem beim Asylthema und Öffentlichen Verkehr die Meinungen auseinander.
Die FPÖ wirbt im Wahlkampf mit Slogans wie "Heimische Könner statt Ost-Dumpinglöhner". Die Plakate werden mit einem Auto mit ungarischem Kennzeichen verteilt.
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