Niessl: "Ich bin nicht Oberlehrer der Bundes-SPÖ"

Niessl zu Rot-Blau:
Niessl zu Rot-Blau: "Sehe keine große Hürde"APA/HELMUT FOHRINGER
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Burgenlands Landeschef wettet, dass er das beste Wahlergebnis des Jahres eingefahren hat. Kanzler Faymann "sitzt so fest im Sattel wie ich".

Haben Sie nach Vorliegen des burgenländischen Wahlergebnisses an Rücktritt gedacht?
Hans Niessl: Im Gegenteil. Ich habe heute einstimmig eine Generalvollmacht im Vorstand erhalten, mit allen Parteien Gespräche zur Bildung einer Koalition zu führen und selbst entscheiden zu können, mit wem wir abschließen. Ich habe noch nie so viel Macht bekommen.

Sie haben nie an Rücktritt gedacht – trotz des schlechtesten Ergebnisses ihrer Amtszeit?
Im Burgenland hat mich das niemand gefragt. Die 42 Prozent werden das beste Wahlergebnis dieses Jahres sein.

Für die SPÖ.
Wahrscheinlich für alle Parteien.

Könnte nicht mit ein Grund für die FPÖ-Erfolge sein, dass der Eindruck entsteht, egal wie Wahlen ausgehen, regiert wird hinterher genauso wie vorher.
Das Problem, das uns zugesetzt hat, war, dass das Asylthema nicht gelöst wurde, dass Zeltstädte errichtet wurden. Das liegt nicht im Verantwortungsbereich des Landes. Wir haben die Rechnung dafür erhalten und dafür, dass es Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt gibt, dass viele aus dem Ausland hier arbeiten und es Lohn- und Sozialdumping gibt.

Dass die Unterbringung von Asylwerbern nicht funktioniert hat ja auch mit Widerständen in den Gemeinden zu tun. Haben Sie da zu wenig Druck ausgeübt?
Mit Druck erreichen Sie da nichts.

Sie haben die Tür auch zur FPÖ als Koalitionspartner offen gehalten, sind Sie mit der Strategie nicht gescheitert?
Im Gegenteil. Wir werden das sehr intensiv weiterverfolgen. Es wird Gespräche mit der FPÖ geben. Und wir werden auch mit den Grünen und mit der ÖVP sprechen. Wir werden mit jener Partei eine Koalition bilden, mit der wir inhaltlich zusammenkommen.

Ist eine Koalition mit der FPÖ jetzt nach dem Wahlergebnis wahrscheinlicher geworden?
Nach dem Wahlergebnis ist eine Koalition mit der FPÖ nicht unwahrscheinlicher geworden.

Die FPÖ ist großer Gewinner, die ÖVP hat massiv verloren. Wäre da nicht eine Koalition mit der FPÖ naheliegender?
Die ÖVP hat das schlechteste Wahlergebnis der Zweiten Republik. Man muss den Abstand sehen: die ÖVP mit 29 Prozent und die SPÖ mit 42 Prozent. Das ist das beste Jahresergebnis. Da wette ich jetzt schon eine Flasche Wein – einen burgenländischen Rotwein.

Wie groß ist der Druck von der Bundespartei, keine Koalition mit der FPÖ einzugehen?
Der Bundespartei habe ich schon vor längerem gesagt, dass wir uns die Option zur FPÖ aufmachen, weil wir eine Mitgliederbefragung gemacht haben. 88 Prozent waren der Meinung, wir sollten mit allen reden. Und stellen Sie sich vor: Wenn wir keine Option mit der FPÖ hätten, dann würde es jetzt schon Schwarz-Blau-Liste-Burgenland im Burgenland geben.

Aber die SPÖ hat seit Franz Vranitzky immer von einer starken Abgrenzung zur FPÖ gelebt. Jetzt würden Sie erstmals eine Regierungsbeteiligung ermöglichen, obwohl es auch einen Bundesparteitagsbeschluss gibt, der genau das Gegenteil sagt?
Wir in den Ländern können hier autonom entscheiden. Das hat der Bundeskanzler gesagt. Auf Bundesebene ist das sein Weg.

Bröckelt in der Bundes-SPÖ der Widerstand gegenüber der FPÖ?
Auf Bundesebene ist das wieder eine andere Situation. Und auch in Wien ist es eine andere Situation. Im Burgenland arbeitet in etlichen Gemeinden die SPÖ-Fraktion auch mit der FPÖ-Fraktion im Gemeinderat zusammen.

Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit für Rot-Blau im Burgenland?
Wir gehen ergebnisoffen in die Verhandlungen.

Das ist klar. Gibt es überhaupt große inhaltliche Differenzen zwischen SPÖ und FPÖ im Land?
So weit ich es aus informellen Gesprächen weiß, sind keine extremen Forderungen dabei.

Sie sehen also keine unüberwindbare Hürde für Rot-Blau?
Ich sehe keine allzu große Hürde, die nicht zu überwinden wäre.

Vom Bund lassen Sie sich also nicht dreinreden?
Man wird das akzeptieren müssen: Wir im Burgenland haben andere Voraussetzungen als vielleicht andere Bundesländer oder der Bund.

Michael Häupl würden Sie das Leben nicht gerade erleichtern.
Ich würde der gesamten SPÖ einen schlechten Dienst erweisen, wenn wir in Opposition gehen müssen.

Aber davon ist doch nicht auszugehen.
ÖVP-Chef Steindl sagt nach wie vor, er will Landeshauptmann werden.

Aber damit rechnen Sie doch nicht wirklich, oder?
Ich rechen mit allem. Ich lasse mich nicht gerne überraschen.

Was sind denn die Lehren für die Bundes-SPÖ?
Ich bin nicht Oberlehrer der Bundes-SPÖ, noch dazu wenn man sechs Prozent verliert.

Wie fest sitzt Werner Faymann im Sattel?
Der sitzt so fest im Sattel wie ich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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