Steiermark: Und jetzt Schwarz-Blau in Graz?

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Nach Rot-Blau im Burgenland steigt in der ÖVP der Druck auf Landesparteichef Schützenhöfer, eine Koalition mit dem großen Sieger der jüngsten Wahl zu bilden – mit der FPÖ.

Graz/Wien. Der SPÖ-Tabubruch mit Bildung einer rot-blauen Regierung im Burgenland, die die ÖVP in die Opposition verbannt, hat nicht nur bundespolitisch für die SPÖ Werner Faymanns weitreichende Konsequenzen. Jetzt sind auch die erst langsam anlaufenden Koalitionsverhandlungen in der Steiermark davon deutlich überschattet. Denn in der ÖVP steigt von Tag zu Tag die Versuchung – jetzt erst recht –, den steirischen SPÖ-Vorsitzenden Franz Voves aus dem Amt des Landeshauptmanns zu kippen und Schwarz-Blau zu versuchen.

Sehnsucht nach „etwas Neuem“

„Der Druck an der Basis ist größer geworden“, heißt es in Graz. „Die Zustimmung zu Schwarz-Blau steigt vor allem auch nach den Eisenstädter Ereignissen“, so ein ÖVP-Spitzenfunktionär am Sonntag, der nicht zitiert werden will. Die ÖVP-Argumentationslinie für Schwarz-Blau, die von größer werdenden Kreisen geteilt wird: Es gebe die Sehnsucht der steirischen Wähler nach „etwas Neuem“. Einer weiteren Auflage der Zusammenarbeit zwischen SPÖ und ÖVP würde von Beginn an der Makel anhängen, eine Verliererkoalition zu sein. Voves habe nicht nur die Landtagswahl mit einem Minus von 9,1 Prozentpunkten verloren, sondern gleichzeitig seine politische Glaubwürdigkeit. Noch am Wahltag selbst hatte der Landeshauptmann seine Ankündigung wiederholt, beim Fallen unter die 30-Prozent-Marke sofort zurücktreten zu wollen. Der Dreier an der Zehnerstelle ist weg (29,2 Prozent Stimmenanteil), Voves dennoch weiter da.

Das Problem für die ÖVP: Landesparteichef Hermann Schützenhöfer hat vor der Wahl, auch um sich abzugrenzen und unangenehmen öffentlichen Koalitionsdebatten zu entgehen, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Regierungsebene ausgeschlossen. Ein allzu plötzlicher Schwenk weg von dieser Linie wäre für die Landes-ÖVP schwer zu kommunizieren und könnte von anderen Parteien als gebrochenes Wahlversprechen ausgeschlachtet werden.

Die andere, theoretische Möglichkeit, rasch eine Koalition mit der FPÖ zu bilden, wäre eine Ablöse Schützenhöfers. Diese Variante erscheint aber ÖVP-intern selbst den Anhängern von Schwarz-Blau als sehr unwahrscheinlich. Immerhin hat der Parteichef, der als Mann der Integration gilt, unmittelbar nach der Wahl die Vertrauensfrage gestellt – und 100-prozentige Zustimmung seines Vorstands erhalten. Dies darf nicht nur als Formalakt oder gar als der Anfang vom Ende einer Politikerkarriere interpretiert werden. Denn vorher hat Schützenhöfer, wie ein Sitzungsteilnehmer berichtet, einen ungewöhnlichen Schritt gesetzt: Der Parteichef hat sich für ungefähr eine Stunde aus dem Gremium zurückgezogen, um den Spitzenfunktionären eine möglichst unbeeinflusste Diskussion über seinen Verbleib (oder allenfalls Nichtverbleib) zu ermöglichen.

Knackpunkt Halbzeitlösung

Was noch für einen Verbleib Schützenhöfers spricht: Er hat mit der steirischen ÖVP vor einer Woche zwar hoch verloren, nämlich 8,7 Prozentpunkte, jedoch den Abstand zur SPÖ trotz des erstmaligen Antretens der Neos verringern können.

Dieses Argument wird die SPÖ in den bevorstehenden Verhandlungen über eine Fortsetzung der Zusammenarbeit („Reformpartnerschaft“) vom ÖVP-Visavis nicht nur ein Mal zu hören bekommen. Die ÖVP und ihre Verhandler stellen sich offenbar darauf ein, mit der SPÖ sehr hoch zu pokern. Schon sickert aus höchsten Parteikreisen durch, man wolle neben zusätzlichen Kompetenzen in der Landesregierung von der SPÖ eine Halbzeitlösung verlangen – auch wenn Schützenhöfer davon noch nicht völlig überzeugt sein soll. Demnach „darf“ Voves zwar noch zweieinhalb Jahre Landeshauptmann bleiben, um danach für einen ÖVP-Politiker dieses höchste politische Amt der Steiermark frei zu machen. Er hätte dann alle Chancen, im Jahr 2020 bei der nächsten Wahl mit dem Amtsbonus ausgestattet den aus ÖVP-Sicht historischen Fehler eines SPÖ-Landeshauptmanns zu korrigieren.

Nagl als Landeshauptmann?

In der ÖVP existieren bereits konkrete Szenarien für eine Ämtertrennung: Schützenhöfer würde sich gleichzeitig mit Voves aus der Regierung zurückziehen. Der Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl, oder Gesundheitslandesrat Christopher Drexler könnten Landeshauptmann werden. Wobei für Nagl ins Treffen geführt wird, über exzellente und deutlich bessere ÖVP-interne Umfragewerte vor allem auch in den ländlichen Gebieten der Steiermark zu verfügen.

Jedenfalls aber hat die Frage der Halbzeitlösung Potenzial, die rot-schwarzen Verhandlungen scheitern zu lassen. Der Weg für Schwarz-Blau wäre damit frei. Ein ÖVP-Spitzenpolitiker vieldeutig: „Die Verhandlungen werden länger dauern.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2015)

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