SPÖ: Die Politik der "ruhigen Hand"

MINISTERRAT: FAYMANN
MINISTERRAT: FAYMANN(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Werner Faymann wird wohl auch die aktuelle Krise überstehen. Denn er hat die Mehrheit in seiner Partei – noch – hinter sich. Vor allem aber gibt es derzeit keine Alternative.

Dies ist die Stärke Werner Faymanns: das Aussitzen. Durchtauchen. Der Machterhalt. Er bewahrt Contenance, wird nicht leicht nervös oder fahrig. Die „sichere Hand“ ließ die SPÖ im Nationalratswahlkampf 2013 plakatieren. Die „ruhige Hand“ würde noch besser passen. In zweierlei Hinsicht: Weil Werner Faymann tatsächlich einer ist, der sich nur schwer aus der Ruhe bringen lässt. Und weil die Ruhe, der Mangel an Esprit, Aktivität und Reformwillen, auch ein Sinnbild für seine Regierungszeit ist.
Am gestrigen Dienstagnachmittag besuchte Werner Faymann, so als ob nichts geschehen sei, die Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten. „Weil wir es schon länger vorhatten“, sagte seine Sprecherin. Faymann, begleitet von seiner Frau Martina Faymann-Ludwig, wirkte zwar ein wenig zurückhaltender als sonst, die bei ihm nicht unüblichen Höflichkeitsfloskeln ließ er weitgehend aus, dennoch hatte man nicht den Eindruck, als hätte man es hier mit einem Kanzler in statu abeundi zu tun.
Werner Faymann ist gewillt, die aktuelle Krise auszusitzen.

Wie auch alle anderen zuvor. Wer gedacht hatte – allen voran die innerparteilichen Kritiker –, dass Faymann bei einem der zahlreichen Interviewtermine der jüngeren Zeit seinen Rücktritt andeuten würde, wurde enttäuscht.
Aus gutem Grund. Denn die Machtverhältnisse in der SPÖ sind nun einmal so – noch immer so –, dass Werner Faymann wenig zu befürchten hat. Auch nicht von der Wiener SPÖ, aus der zuletzt Faymann-kritische Wortmeldungen gekommen waren. Faymann ist vor allem in den großen Flächenbezirken nach wie vor gut vernetzt. Karl Blechas mächtiger Pensionistenverband steht weiter hinter ihm. Der eine oder andere Gewerkschafter mag zwar hinter vorgehaltener Hand seinen Unmut kundtun, aber einen Alternativplan hat die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter auch nicht.

Und es gibt auch keine realistische Alternative zu Faymann. Wer Rudolf Hundstorfer am Montagabend in der „ZiB2“ erlebt hat, wird seine Zweifel daran bekommen haben, ob das wirklich der kommende Mann an der SPÖ-Spitze ist. Kleinlaut distanzierte er sich von Rot-Blau im Burgenland. Und auch von seiner eigenen Ansage im „Profil“ wenige Tage davor, dass er auf jeden Fall bis 2018 Sozialminister bleiben werde. Das wird er nicht. Hundstorfer wird im Herbst als Bundespräsidentschaftskandidat der SPÖ nominiert.
Der Einzige, der in der SPÖ zurzeit mit Leadership besticht, ist Hans Niessl. SPÖ-Chef kann und wird er, der die aktuelle Krise ausgelöst und die Partei gespalten hat, natürlich auch nicht werden. Und Kandidaten von außen, wie der immer wieder genannte ÖBB-Chef Christian Kern, dürften vielen Genossen als zu riskant erscheinen.
Werner Faymann ist nach wie vor so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner der SPÖ – auch wenn dieser immer kleiner wird. Und bevor der Kapitän das Schiff verlässt, tun es seine Kritiker wie die frühere Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger.
Was Werner Faymann in den vergangenen Jahren im Kanzleramt – und auch davor in anderen Funktionen – gemacht hat, ist, sich nach möglichst allen Seiten abzusichern. Alfred Gusenbauer hat das in seiner intellektuellen Überlegenheit und Überheblichkeit nicht getan. Deswegen wurde er nach Wahlniederlagen auch abgesetzt. Und deswegen dürfte sich das im Falle Werner Faymanns nicht (so schnell) wiederholen.

Kritisches Datum Wien-Wahl

Das nächste kritische Datum für Faymann wird die Wien-Wahl. Aber selbst nach einem verheerenden SPÖ-Ergebnis ebendort ist nicht zwingend mit seiner Ablöse zu rechnen. Schließlich stellt sich Michael Häupl der Wahl.

„Und hat die Wiener SPÖ nach der Wahl zwei Optionen – die ÖVP und die Grünen –, dann dürfte ohnehin alles paletti sein“, meint der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina. Auch er hält die Stimmung jetzt und jene seinerzeit vor der Gusenbauer-Ablöse für nicht miteinander vergleichbar.
„Ruhige Hand heißt, der Hektik der gedruckten Meinung nicht politische Hektik folgen zu lassen“ – so hatte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder einst seine Handlungsmaxime umschrieben. Werner Faymann hält sich daran. Für eine „Agenda 2020“ ist seine Hand dann aber doch zu ruhig.

WAS BISHER GESCHAH

Nach den Niederlagen der SPÖ in der Steiermark und dem Burgenland bildete die burgenländische SPÖ eine Regierung mit der FPÖ. Faymann ließ dies zu. Es hagelte Proteste von der Parteilinken. Am Montag fasste das SPÖ-Präsidium den Beschluss, dass Rot-Blau auf Landesebene möglich ist, auf Bundesebene hingegen weiterhin nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

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