Auch gestern verhandelten SPÖ und ÖVP noch bis in die Abendstunden über die Details der Steuerreform. Hauptknackpunkte waren die Registrierkassenpflicht und die Grunderwerbsteuer.
Wien. Es war ein heiß-kaltes Wochenende – auch politisch. Samstag und Sonntag saßen Beamte des Finanzministeriums mit Verhandlern von SPÖ und ÖVP zusammen, um letzte Details der Steuerreform zu klären. Geschafft hat man es nicht, auch gestern wurde noch bis in die Abendstunden intensiv verhandelt. Heute, Dienstag, will Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) das Paket dem Ministerrat vorlegen.
Der größte Brocken bei den koalitionsinternen Gesprächen? Nicht etwa die in der Vergangenheit unter dem Schlagwort „gläserner Bürger“ heiß diskutierte Kontenöffnung, zu der es sogar eine Sondersitzung des Nationalrats gab, sondern ein ganz anderes Thema: die Registrierkassenpflicht. Hier prallten die Interessen des ÖVP-Wirtschaftsbundes auf die der Arbeiterkämmerer der SPÖ.
Die Wirtschaft wehrt sich seit Beginn gegen „den Pauschalverdacht“, Wirte und Kleinunternehmer würden nicht alle Einnahmen korrekt versteuern. Der Aufwand, den eine Registrierkasse mit sich bringe, stünde in keinem Verhältnis zum Ergebnis, so der Wirtschaftsbund in den internen Verhandlungen.
Die SPÖ aber blieb in der Frage hart und verwies auf internationale Beispiele: die Umsätze (und damit die Steuereinnahmen) nach Einführung einer manipulationssicheren Kasse seien etwa in Kanadas Gastronomie sprunghaft nach oben gestiegen. Debatten gab es auch über die Umsätze an öffentlichen Plätzen („Kalte-Hände-Regelung“): Für unter anderem Christbaumverkäufer, Maronibrater und Fiaker soll die Pflicht erst ab einem Umsatz von 30.000 Euro gelten. Die ÖVP möchte eine Verdoppelung dieser Grenze.
Heftig debattiert wurde über Umsatzgrenzen für Vereine. Eine freiwillige Feuerwehr soll für ein Zeltfest nicht automatisch eine genehmigte Registrierkasse haben müssen. Andererseits: Was ist mit großen, mehrtägigen Festen, bei denen der Umsatz gleich in die hunderttausenden Euro geht? Warum sollen diese Einnahmen nicht streng versteuert werden müssen?
Nettolöhne plus 3,1 Prozent
Auch die Grunderwerbsteuer war bis zum Ende umstritten. Neben der Frage, ob man Familienerbschaften zusammenrechnen und als einen Erwerb versteuern soll (was die SPÖ will), ging es auch um Erbschaften in dem Fall, dass ein Familienmitglied noch im gemeinsamen Haushalt lebt. Bei Betriebsübergaben soll es wiederum eine Deckelung geben.
Bei der Kontenöffnung hat sich die Koalition auf einen Rechtsschutzbeauftragten geeinigt. Aber hier werden noch das Parlament und vor allem die Grünen, die man für die Zweidrittelmehrheit für die Steuerreform benötigt, ein Wort mitreden.
Nach der Nationalbank rechnete am Montag auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) die positiven Effekte der Steuerreform vor. Die Nettolöhne steigen demnach pro Kopf um 2,6 Prozent, im Jahr 2019 sogar um 3,1 Prozent (gegenüber einem Szenario ohne Reform). Die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte würden bis 2019 um ein Prozent steigen, der private Konsum um 0,7Prozent und das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,25 Prozent.
Wifo-Chef Karl Aiginger hat bei der Volkswirtschaftlichen Tagung der Nationalbank generell für Maßnahmen geworben, um gesellschaftliche Ungleichheit zu reduzieren. Weniger Ungleichheit würde zu höherem Konsum und Wirtschaftswachstum führen, so Aiginger. Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) verwies bei der Tagung auf die Gefahren einer hohen Arbeitslosigkeit, die sich auch negativ auf die politische Stabilität eines Landes auswirken könne. (red./ag.)
FAHRPLAN STEUERREFORM
Die Regierung soll die Steuerreform heute, Dienstag, im Ministerrat absegnen. Morgen wird das umfangreiche Gesetzeswerk dem Finanzausschuss des Nationalrats zugewiesen. Der wiederum tagt am 30. Juni und kann somit die Beschlussfassung für den Nationalrat noch vor dem Sommer vorbereiten. Das Plenum wird die Reform zwischen 7. und 9. Juli debattieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.06.2015)