Erwin Pröll: Zelte weg, Container kommen

Erwin Pröll
Erwin Pröll(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Sprecher der Landeshauptleute attackiert Bundeskanzler Faymann frontal. Dieser sei über seine eigenen PR-Aktionen gestolpert. Und er verteidigt das Veto gegen Bezirksquoten („praxisfern“) für Asylwerber.

Die Presse: Wieso haben die ÖVP-Landeshauptleute beim Asylgipfel eine Einigung blockiert, wie das Bundeskanzler Faymann sagt?

Erwin Pröll:
Das ist eine typische Vorgangsweise, die der Herr Bundeskanzler praktiziert. Ich bin 35 Jahre dabei und habe noch nie eine so oberflächliche Vorbereitung eines so wichtigen Themas erlebt. Ich würde mir wünschen, dass an der Spitze der Republik jemand steht, der seriöse Arbeit leistet und nicht versucht, über PR-Aktionen Politik zu machen, noch dazu in solchen Situationen.


Sie bezichtigen ihn der Unseriosität?

Der Herr Bundeskanzler hat, ohne auch nur eine Silbe mit den Bundesländern zu reden, vor der Sitzung in einer Tageszeitung eine Einigung mit den Landeshauptleuten angekündigt. Ich überlasse es gerne den Lesern, das zu beurteilen. Er ist über seine eigenen PR-Aktivitäten gestolpert. Es hat eine lange Diskussion gegeben, in der nicht nur die ÖVP-Länder gebeten haben, aus praktischen Gründen von diesem Vorschlag Abstand zu nehmen.


Weshalb?

Eine Bezirksquotenregelung hätte das Problem der Aufteilung, das bei neun Bundesländern besteht, auf 90 Bezirke verteilt. Bereits jetzt geraten Bezirke, die die Quote über 100 Prozent erfüllt haben, unter Druck. Dieser Vorschlag, der vom Bundeskanzler gemacht wurde, ist auf dem grünen Tisch entstanden von Menschen, die in Wahrheit noch nie einen Bürgermeister gesehen, geschweige denn ein derartiges Problem gelöst haben.

Den Wiener Bürgermeister kennt Bundeskanzler Faymann recht gut...

Aber sonst hat Herr Faymann mit der Praxis, wie das abgewickelt wird, noch null zu tun gehabt. Bei dem Vorschlag wurde nicht bedacht, was das heißt. Wie läuft das in Niederösterreich ab? In der Landesregierung ist der zuständige politische Referent SPÖ-Landesrat Androsch. Der akkordiert sich mit mir als Landeshauptmann, gleichzeitig ist der beamtete Chef der Abteilung stark eingebunden, und wir suchen im Kontakt mit den Gemeinden Quartiere. Wenn man noch eine Bezirksebene einschaltet, frage ich mich: Was soll da ein Bezirkshauptmann tun? Der ist Beamter, der in Wahrheit gar nicht eingreifen kann, der ist gar nicht in der Lage, politisch eine Entscheidung herbeizuführen. Zusätzlich noch eine Bürokratie aufzubauen, die das Ganze noch erschwert, ist derartig praxisfern, dass man nur den Kopf schütteln kann, wie jemand auf so eine Idee kommt.

Ist diese Nichteinigung nicht eine Bankrotterklärung der Flüchtlingspolitik?

Ich verstehe, dass das unterschiedlich interpretiert wird, aber ich sehe das nicht so. Die Länder haben sich verpflichtet, in den nächsten Wochen weitere 2500 Quartiere zur Verfügung zu stellen und bis Ende Juli insgesamt 6000 zusätzliche Quartiere. Die Innenministerin hat zugesichert, dass sie alles daran setzen wird, dass die Zeltstädte wegkommen. Sie wird Container anschaffen. Wir werden in den Bundesländern, insbesondere dort, wo die 100-Prozent-Quote nicht erfüllt wird, Container-Quartiere schaffen. Ergebnis der Sitzung ist auch, dass das Ministerium die Vorgangsweise mit den Ländern in der nächsten Woche intensiv abstimmt. So macht man das auch. Und das Zweite: Es tut mir leid, aber ich kann den Herrn Bundeskanzler nicht aus dieser Verantwortung entlassen. Er ist gefragt, auf europäischer Ebene Lösungen herbeizuführen. Mir ist alles recht, wenn der Herr Bundeskanzler nach Griechenland für einen Tagesausflug fliegt. Aber nicht einmal die Lage der Flüchtlinge mit den Verantwortlichen anzusprechen ist schon starker Tobak. Über Griechenland sind heuer allein 4000 Menschen zu uns gekommen, die Asylanträge gestellt haben. Ich weiß schon, dass europaweit einen Gemeinschaftsbeschluss zustande zu bringen, sehr schwierig ist. Wir wissen, was Ungarn versucht hat und nun abgewendet wurde (Flüchtlinge, die Österreich zurückschickt, weil sie über Ungarn in den Schengen-Raum gelangt sind, wären nicht mehr aufgenommen worden; Anm.). Auch andere Nachbarstaaten, ich sage nicht welche, denken sehr konkret über Maßnahmen mit einem ähnlichen Effekt nach. Da ist dringender Handlungsbedarf für den Herrn Bundeskanzler, bilateral aktiv zu werden. Wir sollten wenigstens im mitteleuropäischen Raum zu einer gemeinsamen Lösung finden. Wenn es nicht gelingt, den Zustrom zu kontrollieren, kann niemand die Unterbringung auf Dauer garantieren. Österreich ist nicht in der Lage, das Problem eines weiteren Zustroms von Flüchtlingen, den wir erwarten, zu lösen.

Sollte die Kompetenz von den Ländern zum Bund gehen?

Es gibt eine Reihe von Ländervertretern, die angedeutet haben: Wenn der Bundeskanzler weiter in der Form versucht, mit den Ländern umzugehen, überlegen sie ernsthaft, die 15a-Vereinbarung (Flüchtlingswesen, Anm.)zu sistieren und aufzukündigen. Dann wäre der Bund ausschließlich für das Asylwesen zuständig.


Ist das als Drohung zu verstehen?

Nein, mit Drohungen arbeite ich nicht gerne. Für meine Kollegen und mich ist das Treffen im Bundeskanzleramt abgehakt. Wir werden uns jetzt darauf konzentrieren, Plätze aufbieten zu können. Emotion hat in der Arbeit keinen Platz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2015)

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