Schüsse und Hitlergruß im KZ Ebensee

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Eine französische Reisegruppe wurde tätlich angegriffen. Die Täter dürften ortskundig gewesen sein. Die jüngsten Vorfälle in Ebensee sind nur die Spitze einer Serie rechtsextrem motivierter Provokation.

LINZ/WIEN. Eine Neonazi-Provokation, bei der es sogar zu einem tätlichen Angriff kam: Vier junge Männer mit Sturmhauben, Soft Guns und Plastikgewehren, die am vergangenen Samstag die Gedenkfeier im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee durch Hitlergruß und Sieg-Heil-Rufe gestört haben, sollen sogar eine französische Besuchergruppe mit Gummigeschoßen beschossen haben. Eine Anzeige liegt nicht vor – die Franzosen sollen derart betroffen über den Vorfall gewesen sein, dass sie sofort abreisten.

Was weiß man über die Täter? Sie dürften sich über verborgene Wege eingeschlichen haben, sind also ortskundig und vermutlich Einheimische, berichten Insider. Eine Kalaschnikow-Attrappe fanden die Ermittler auf dem Fluchtweg in einem Nebenstollen.

Die jüngsten Vorfälle in Ebensee sind nur die Spitze einer Serie rechtsextrem motivierter Provokation. Ein Video, in dem Hauptschüler Exekutionsszenen nachstellten, mit einschlägigem Liedgut unterlegten und vor einigen Monaten auf YouTube veröffentlichten, führte dazu, dass in zwei Ebenseer Schulen zusammen mit der Exekutive Präventiv- und Aufklärungsarbeit durchgeführt wird. Bürgermeister Hartwig Loidl will die Maßnahme forcieren. Er entschuldigte sich namens der Bevölkerung für die „irregeleiteten Neonazis“.

Rechtes Aufmarschgebiet

Das Salzkammergut und Oberösterreich werden immer wieder als rechtes Aufmarschgebiet angesehen. Nicht ohne Grund: Tatsächlich wurde in den vergangenen Monaten Oberösterreich immer wieder in Zusammenhang mit Rechtsextremismus genannt:

Morddrohungen: Ende 2008 gab es mehrere Drohungen per Mail und Brief sowie in Internetforen gegen oberösterreichische Politiker, etwa den Welser Bürgermeister Peter Koits (SPÖ) oder den grünen Menschenrechtssprecher Gunter Trübswasser. Die Polizei vermutete einen Zusammenhang mit einem Wiederbetätigungsprozess gegen Mitglieder des vom Dokumentationsarchiv österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem eingestuften Bundes freier Jugend (BfJ).
Beschmierungen: Mitte Februar wurde eine Mauer der KZ-Gedenkstätte Mauthausen mit verhetzenden Sprüchen beschmiert – „Was unsern Vätern der Jud, ist für uns die Moslembrut“ – die Polizei geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus.
Aufmarsch: Für den 1. Mai plante die Nationale Volkspartei (NVP), die vom DÖW als rechtsextrem eingestuft wird, einen „Arbeitermarsch“, der jedoch untersagt wurde – so wie auch eine Demo der „Nationalen Medienfront“, hinter der die NVP stecken soll, die für den 18. April – zwei Tage vor Adolf Hitlers Geburtstag – in Braunau angesetzt war.
•Einschlägiger Shop: In Braunau eröffnete Ende 2008 ein Geschäft, in dem Mode des ostdeutschen Labels „Thor Steinar“ verkauft wird. Das Label gilt als Kultmarke in der Naziszene. So gibt es etwa T-Shirts und Sweater mit Runenschrift und Aufdrucken wie „Wüstenfuchs“ im Sortiment.

Das Klima, das die rechtsextreme Ideologie in Oberösterreich besonders gut gedeihen lässt, schaffen einerseits die guten Verbindungen zur Szene in Deutschland, andererseits die offensichtlich besonders offensive Rekrutierungsmethodik von Einzelpersonen und kleineren Gruppierungen, sagt der Sprecher des OÖ-Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, Robert Eiter.

Im Salzkammergut, wo oft ein besonders tief verwurzelter Rechtsextremismus vermutet wird, kommen historische Gründe dazu: Etwa die Vorliebe von Nazigrößen wie Adolf Eichmann, die sich hier ihre Villen bauen ließen, oder auch der große Anteil an Protestanten, die in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts eher deutschnational eingestellt waren. „Das darf man aber nicht auf die Gegenwart übertragen“, meint der Leiter der Gedenkstätte Ebensee, Wolfgang Quatember. Die Taten der jungen Männer mit den Sturmhauben und Soft Guns seien nicht unbedingt ideologisch motiviert: „Es gibt hier Einpeitscher, die das Umfeld der Jugendlichen suchen und sie begeistern.“ Es brauche jedenfalls „härteste Strafen“, um dem offensichtlich gestiegenen Selbstbewusstsein der Szene etwas entgegenzusetzen.
Kommentar Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2009)

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