Nachbaur: Von der Vertrauten zur Abtrünnigen

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Der Parteichef trauert einigen Mandataren nicht nach. Die Abkehr Nachbaurs dürfte Stronach aber getroffen haben. Seine Fraktion ist nunmehr die kleinste im Nationalrat. Robert Lugar könnte wieder Klubchef werden.

Wien. 20 Jahre alt war Kathrin Nachbaur, als sie Frank Stronach kennenlernte. Über ihren Vater, einem wichtigen Wirtschaftskammerfunktionär, bei der Feier eines Autokonzerns in der Grazer Oper. Sehr direkt soll die junge Frau damals Stronach gefragt haben, ob sie bei Magna arbeiten dürfe. Sie durfte. Und sie wurde eine enge Vertraute des Milliardärs, der sie nach der Nationalratswahl 2013 sogar zur Klubchefin seiner Parlamentsfraktion machte. Wenn Nachbaur von Stronach sprach, dann wirkte das oft so, als würde sie den Austro-Kanadier richtiggehend glorifizieren.

Nun aber hat mit Nachbaur auch eine der einst engsten Mitstreiter Stronachs dem Parlamentsklub den Rücken zugekehrt. Das ist bezeichnend dafür, wie groß die Zerwürfnisse im Klub sind. Bereits nach ihrem Rücktritt als stellvertretende Parteiobfrau im November 2014 waren die Zeichen darauf gestanden, dass Nachbaur die Fraktion ganz verlassen könnte. Stronach hatte Nachbaur zuvor eine Zulage gestrichen. Nun wechselte die 36-jährige Grazerin zusammen mit Rouven Ertlschweiger endgültig die Seiten. Die beiden schlossen sich am Samstag dem ÖVP-Klub an.

Während der vorangegangene Wechsel von Georg Vetter und Marcus Franz zur ÖVP Frank Stronach nach seinen Angaben nicht wehtat, trifft ihn die Abkehr Nachbaurs. „Darüber möchte ich nicht sprechen. Ihrem Sohn hab' ich zur Geburt eine kleine Lederhose gekauft“, sagt Stronach zur „Kronen Zeitung“, als er auf Nachbaur angesprochen wird. Das am Sonntag erschiene Interview war vor Bekanntgabe ihres Wechsels geführt worden.

Was bleibt, ist eine Rumpftruppe. Sieben Abgeordnete hat das Team Stronach im Nationalrat noch, damit lösen sie die Neos (neun Abgeordnete) als kleinste Fraktion ab. Gerüchte, dass Klubobfrau Waltraud Dietrich abgelöst wird, halten sich. Robert Lugar könnte folgen, vielleicht Stronachs letzter Vertrauter im Parlament. Lugar hatte den einst selbst aus abtrünnigen Abgeordneten gegründete Stronach-Klub im Parlament vor der Wahl 2013 geführt.

Politisch passt Nachbaur nicht so schlecht zur ÖVP. Für Familien, gegen Umverteilung und Sozialismus, all dies sind Themen, mit denen die Juristin im ÖVP-Klub auf Zustimmung stoßen dürfte. Auch wenn Nachbaur sich nicht an den Klubzwang halten will. Aber dass sie im ÖVP-Klub Karriere macht, ist wie (bei den anderen Ex-Stronach-Jüngern) ohnedies nicht zu erwarten.

Der ÖVP-Klub kommt nach den nunmehrigen Zugängen im Nationalrat auf 51 Mandatare und liegt damit nur noch einen Abgeordneten hinter der SPÖ. Freilich könnten auch noch weitere Stronach-Leute zur ÖVP wechseln, wenngleich Klubobmann Reinhold Lopatka dies am Wochenende ausschloss. Machtstrategisch bringt der jetzige Zulauf der ÖVP außer vielleicht dem Gefühl, mit der SPÖ auf Augenhöhe zu stehen, nicht allzu viel. Schwarz-Blau geht sich weiterhin nicht aus, dafür fehlen noch drei Mandatare. Und für eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht die Koalition weiterhin die Zustimmung von Grünen oder FPÖ.

Grüner Appell an die Hofburg

Nichtsdestotrotz warnte Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Sonntag vor einer schwarz-blauen Mehrheit. Sie appellierte an Bundespräsident Heinz Fischer, in diesem Fall den beiden Parteien auf keinen Fall einen Auftrag zur Regierungsbildung zu geben. „Wir verlangen Widerstand gegen eine mögliche gekaufte schwarz-blaue Mehrheit“, sagte Glawischnig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2015)

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