Amnesty: "Selbst erzeugter Pseudo-Notstand in Traiskirchen"

Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich
Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich (c) APA/EPA/ROLAND SCHLAGER
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Die Situation in dem Erstaufnahmezentrum sei ein "Skandal der Nachlässigkeit", kritisiert die Menschenrechtsorganisation. Generalsekretär Patzelt hätte das "in Österreich nicht für möglich gehalten".

In ihrem Untersuchungsbericht über die Lage im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in Niederösterreich kommt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) zu einem überaus kritischen Befund. Angeprangert werden konkret die Unterbringung von Flüchtlingen in Bussen, nach dem am 5. August verhängten Aufnahmestopp für Neuankömmlinge.

Besonders scharfe Worte fand Heinz Patzelt, Generalsekretär Amnesty International Österreich. Er bezeichnete die Situation in Traiskirchen bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag als „selbst erzeugter Pseudo-Notstand“. Es handle sich um einen „Skandal der Ignoranz, der Nachlässigkeit, des Desinteresses“. Ressourcenknappheit könne in einem der reichsten Länder der Welt keine Erklärung für die Lage der Asylwerber in Österreich sein, so Patzelt. Außerdem stünde mit Schulbeginn die nächste „Katastrophe“ hinsichtlich der Unterbringung der Flüchtlinge bevor.

Weiters geißelte Patzelt die fehlende politische Verantwortung: „Ich habe so etwas in Österreich nicht für möglich gehalten. Wachen wir endlich auf.“ Er frage sich, ob die Flüchtlinge erst im großen Marmorsaal der Bundesregierung hausen müssten, bis etwas geschehe.

Pichler: "Minderjährige nicht ausreichend geschützt"

Als seine zwei wichtigsten Forderungen führte Patzelt an, dass das Durchgriffsrecht für den Bund zur Unterbringung der Asylsuchenden endlich Wirklichkeit werde und, dass jedes unbegleitete Kind einen Vormund erhalte; die derzeitige Situation sei in diesem Bereich eine „ungeheure Niedertracht“.

Daniela Pichler, die Leiterin des Research-Teams von Amnesty International Österreich, beklagte in Wien die Administration für neu eintreffende Asylwerber sowie besonders auch die Zustände für Minderjährige, die derzeit „nicht ausreichend geschützt“ seien. Für diese käme die Situation einer Verletzung des Kinderwohls gleich.

In der Vorwoche hatte ein Untersuchungsteam von Amnesty International die Situation in Traiskirchen überprüft. Pichler bemängelte nun, die seit dem 5. August stattfindende Unterbringung von Asylwerbern in Bussen in der angrenzenden Sicherheitsakademie. Dies komme „einer unmenschlichen Behandlung gleich“. Insgesamt sei dies „keine angemessene Unterbringung“.

Zur Administration stellte sie fest, es gebe kein Wartesystem, keine Nummernausgabe. „Man fragt sich, warum ist das nötig?“, erklärte Pichler. Im Zusammenhang mit den Frauen sagte Pichler, dass es keinen geschützten, für andere Personen uneinsehbaren Duschraum gibt.

Innenministerium gibt sich nicht überrascht

In einer ersten Reaktion wurde der „Presse" im Innenministerium erklärt: "Ja, der Bericht ist ernstzunehmen." Das Innenministerium werde sich auch alle Kritikpunkte im Detail anschauen. Gleichzeitig komme diese Kritik aber nicht überraschend, weil Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schon vor Wochen auf die Ursachen für die Zustände in Traiskirchen aufmerksam gemacht habe. Dies seinen einerseits die deutlich gestiegene Zahl der Anträge, vor allem aber auch die Probleme beim inner-österreichischen Modell der Unterbringung der Flüchtlinge durch den seit 2004 bestehenden Pakt mit Bund und Ländern. Hier sei man mit den Bestrebungen für ein Durchgriffsrecht des Bundes dabei, Änderungen vorzunehmen.

Amnesty International habe aufgezeigt, wie in Traiskirchen, „ein Symbol für eine unmenschliche und zutiefst verabscheuungswürdige Flüchtlingspolitik seitens der Verantwortlichen produziert wird", reagierte der dortige Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) auf den Bericht der Organisation. Man dürfe nun nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

>>> Bericht von Amnesty International Österreich

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