Dublin-III-Verordnung: Österreich wird nicht klagen

Die SPÖ trägt eine Klage beim EuGH gegen das Asylsystem der EU nicht mit. ÖVP bleibt mit dem Vorstoß auf der Strecke.

Wien. Die SPÖ wird im Ministerrat keine Klage gegen die Dublin-III-Verordnung mittragen. Das erfuhr „Die Presse“ am Donnerstag. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Justizminister Wolfgang Brandstetter (beide ÖVP) werden sich also mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht durchsetzen. Das sei ein „populistischer Versuch“, an das Problem heranzugehen, hieß es aus SPÖ-Kreisen.

Für Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist der Vorstoß des Koalitionspartners, gegen die Dublin-Asylregeln zu klagen, um eine faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchzusetzen, "eine Illusion". Die faire Verteilung sei "eine richtige und unverzichtbare Forderung", sagte er am Donnerstagabend. Sie könne jedoch nur politisch erreicht werden: "So etwas kann man nicht einklagen."

Mikl-Leitner und Brandstetter hatten diese Woche angekündigt, gegen das Asylsystem der EU nun juristisch vorgehen zu wollen. Die beiden Minister stützten sich auf ein Gutachten des Europarechtlers Walter Obwexer. Der renommierte Jurist hatte einen Widerspruch zwischen der Dublin-III-Verordnung und dem im EU-Vertrag festgeschriebenen solidarischen Grundsatz (Art. 80) aufgezeigt. Die Dublin-Verordnung sieht nämlich vor, dass der Asylantrag eines Flüchtlings von jenem Land behandelt werden muss, in das er zuerst eingereist ist. Dies hat nun zu einer Überlastung der Behörden in Italien und Griechenland geführt. Da beide Länder mit der Flüchtlingswelle nicht zurechtkommen, reisen die Menschen nach Österreich und Deutschland weiter. Andere EU-Länder sind hingegen kaum betroffen.

Dieser Widerspruch mit dem Solidaritätsgrundsatz wurde auch durch Juristen des Bundeskanzleramts geprüft. Dort wird das Argument allerdings als zu schwach eingeschätzt, um eine Klage zu begründen. Eine faire Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU wäre zwar politisch sinnvoll, rechtlich aber nicht durchsetzbar.

Da mehrere EU-Länder auf eine Reform der Dublin-Verordnung drängen, dürften sich die EU-Justiz- und Innenminister bereits demnächst damit befassen. Außerdem ist vorgesehen, dass es 2016 zu einer Evaluierung der Verordnung kommt. Die EU-Kommission hatte auf die Klagsdrohung aus Wien bereits am Mittwoch äußerst negativ reagiert. „Jetzt ist definitiv nicht die Zeit, um gegeneinander vor Gericht zu ziehen“, so eine Sprecherin in Brüssel. Die EU-Kommission hat bereits Vorschläge für eine solidarische Aufteilung der Flüchtlinge nach Quoten vorgelegt. Diese wurde aber von den EU-Regierungen zurückgewiesen. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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