Christian Konrad – oder: Von der Macht als Mittel zum Zweck

Christian Konrad
Christian Konrad(c) Clemens Fabry
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Mit dem Ex-Raiffeisen-Generalanwalt macht die Regierung eine der einflussreichsten Personen der Republik zum Flüchtlingskoordinator.

Eigentlich wollte Christian Konrad in seinem Sommerhaus auf der kroatischen Insel Brač Urlaub machen. Er war erst ein paar Tage dort, als der Anruf kam. Reinhold Mitterlehner fragte, ob er sich vorstellen könne, Flüchtlingskoordinator der Regierung zu werden. Konrad dachte kurz nach – und machte sich auf den Heimweg.

Offiziell soll Konrad seinen neuen Job noch vor dem 1. Oktober antreten, wenn auch das Verfassungsgesetz in Kraft tritt, das dem Innenministerium bei der Flüchtlingsverteilung Eingriffe in die Gemeindeautonomie erlaubt. De facto ist er bereits im Amt. Vorbereitungen sind zu treffen, Grundsätzliches ist zu klären. Noch diese Woche will die Regierungsspitze festlegen, was Konrad dürfen soll. Man kann allerdings davon ausgehen, dass der 72-Jährige längst kundgetan hat, was er in dieser Funktion dürfen will.

An Selbst- und Machtbewusstsein hat es Christian Konrad nie gemangelt. Als Generalanwalt des Raiffeisen-Imperiums, zu dem Banken, Industriebetriebe und Medien gehören, wurde er verehrt, gehasst und gefürchtet. 18 Jahre lang, von 1994 bis 2012, war er eine der geheimnisvollsten und einflussreichsten Personen der Republik.

Im Asylwesen soll der Niederösterreicher nun dafür sorgen, dass Traiskirchen entlastet wird und alle Flüchtlinge eine Unterkunft bekommen. Er werde die Schaltstelle zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und NGOs sein, kündigte die Regierungsspitze an. Werner Faymann hob Konrads Erfahrung im Management, in der Immobilienbranche und bei Flächenwidmungen hervor. Darauf, sagte der Kanzler, komme es an.

Viele Freunde

Vor allem aber qualifiziert Konrad etwas anderes für diesen Job: Er unterhält ein dichtes Netz an Beziehungen und Freundschaften, quer über alle politischen Lager – mit Ausnahme der FPÖ. „Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps“, sagt er gerne. Aber natürlich haben die meisten Kontakte einen beruflichen Hintergrund. Man braucht einander, sozusagen. Christian Konrad kann Personen dazu bringen, ihm zu helfen. Mit Einsatz oder Geld. Oder mit beidem. Immer noch. Vor drei Jahren zog er sich nur aus der ersten Reihe zurück. Vielen Unternehmen blieb er als Aufsichtsrat erhalten. „Der Konrad ist kein Herrscher“, sagte er einmal in einem „Datum“-Interview über sich selbst. „Ich bearbeite Märkte, und ich kenne viele Menschen.“

Weltanschaulich ist Konrad ein Christlich-Sozialer, eng mit der ÖVP und der Kirche verbunden. Er ist Ehrenbürger Mariazells, seit er sich um die Basilika verdient gemacht hat. Kulturschaffenden ist er unter anderem als Präsident der Freunde der Albertina ein Begriff. Das und sein Engagement für die Caritas, für Pater Sporschill und für Flüchtlingsfamilien, die sich um einen Aufenthaltstitel in Österreich bemühen, brachten ihm auch in linken (Künstler-)Kreisen Anerkennung ein.

Parteipolitische Überlegungen hätten bei Konrads Bestellung keine Rolle gespielt, versicherte Faymann. Er sei der Richtige für diese Aufgabe. Den Sanktus der SPÖ brauchte der Kanzler in diesem Fall nicht. Es ist bekannt, dass Konrad einen guten Draht ins Wiener Rathaus hat. Michael Häupls Freude kam daher nicht überraschend: „Endlich mal eine vernünftige Entscheidung. Das ist ein Hoffnungsschimmer für Traiskirchen.“

Zwist mit Schönborn und Pröll

Es gibt aber auch den anderen Christian Konrad, den harten, den gnadenlosen. Dieser Zug kommt zum Vorschein, wenn ihn jemand enttäuscht. Oder wenn Vereinbartes nicht hält. Er habe Entscheidungen „immer ohne Ansehen persönlicher Beziehungen“ getroffen, sagte er 2010 der „Presse am Sonntag“. „Das hat sich herumgesprochen, daher weiß jeder, woran er bei mir ist.“

Christoph Schönborn wird das bestätigen können. Als Obmann des Vereins Unser Stephansdom hatte Konrad von 2006 bis 2011 eine stattliche Summe für die Renovierung organisiert. Doch dann gab es Differenzen über die Dimension des Bauprojektes. Der Wiener Kardinal soll seine Meinung plötzlich geändert haben, entgegen der ursprünglichen Abmachung. Verärgert legte Konrad alle Funktionen nieder.

Auch mit Erwin Pröll verbindet ihn eine komplizierte Freundschaft. Von einem Konkurrenzverhältnis war in der ÖVP stets die Rede, von zwei Machtmenschen, die sich nicht unähnlich seien. 2010 wollte Pröll Bundespräsidentschaftskandidat werden und bat Raiffeisen um Unterstützung. Doch Konrad lehnte ab: Ein Bundespräsident Pröll wäre kontraproduktiv für die Kanzlerambitionen Josef Prölls, damals ÖVP-Obmann. Pröll, der Onkel, soll ihm das bis heute nachtragen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2015)

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