Kommissar lobt Lager Traiskirchen

Austrian Interior Minister Mikl-Leitner and European Commissioner for Migration and Home Affairs Avramopoulos addresses a news conference in Traiskirchen
Austrian Interior Minister Mikl-Leitner and European Commissioner for Migration and Home Affairs Avramopoulos addresses a news conference in Traiskirchen(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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In Traiskirchen sind nach wie vor 600 Menschen obdachlos. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopulos aber lobt dort Österreichs Umgang mit Flüchtlingen – und sagt 5,4 Mio. Euro an Soforthilfe für Österreich zu.

Traiskirchen. Es sind ungewohnte Worte, die man am  Montag in Traiskirchen hört. Lob gab es in und für das überlastete Erstaufnahmezentrum nämlich schon lange nicht. Zunächst fand am Montag bei einer Pressekonferenz in der Sicherheitsakademie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner viele lobende Worte: für das Wochenende, die Freiwilligen, die NGOs, Polizei, ÖBB, die Zusammenarbeit und Solidarität. Und auch ihr Gast Dimitris Avramopulos, EU-Kommissar für Migration und Inneres, hatte nur positive Worte für Österreich: Für den Umgang mit der aktuellen Krise – ein „Vorbild an Solidarität“ – und, sogar für das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, das er sich zuvor bei einem Rundgang angeschaut hatte. „Unter den aktuellen Umständen ist das das Beste, was man anbieten kann. Allgemein werden die Leute anständig und gastfreundlich behandelt. Es gibt noch Möglichkeiten der Verbesserung, aber keinen Grund zur Klage“, sagt der Kommissar.

Die Medien, die zahlreich, international wie national, nach Traiskirchen gekommen aber vom Rundgang durch das Lager ausgeschlossen waren, hakten nach. Ob er wirklich alles gesehen habe? Die hygienischen Zustände? Die Leute, die nachts in Campingzelten schlafen? Er habe mit den Leuten geredet. „Der Großteil ist zufrieden.“ Johanna Mikl-Leitner versichert, sie habe ihrem Gast das gesamte Gelände, vom Gebäude der Sicherheitsakademie (Siak) neben dem Lager, den Krankenstationen bis zu den Zeltstädten, gezeigt. Wenngleich sie sagt, von Entspannung der Lage könne keine Rede sein. Und hofft, dass die Solidarität vom Wochenende die Gebietskörperschaften ansteckt.

Spricht man mit Asylwerbern, die sich um das Lager aufhalten, sich um die Autos und Spenden von Freiwilligen scharen, hält sich die Zufriedenheit ebenfalls in Grenzen. Innerhalb der Mauern dürfte sich die Lage noch lange nicht normalisiert haben: Aktuellen Zahlen der Gemeinde nach sind auf dem Siak-Gelände derzeit 600 Menschen obdachlos – und bei Temperaturen von vier Grad in der Nacht auf Montag friere man auch in den Zelten, so Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler. Im Erstaufnahmezentrum selbst leben aktuell 1800 Menschen, auf dem Siak-Areal rund 2000, davon 200 in einem Gebäude, 1350 in Zelten und eben 600 ohne festen Schlafplatz. Auch in den Verhandlungen mit dem BMI, etwa um ein Sachspendenlager für die Caritas, gehe nichts weiter.

„Das ist keine Krise, die vorbeigeht“

Die Einschätzungen vor Ort fallen also zwiespältig aus. Vielleicht auch durch den Vergleich des Kommissars – er habe eben erst Calais und die griechische Insel Kos besucht. Geht es allgemein um das Flüchtlingsthema, ist der Kommissar weniger diplomatisch als bei seinem Urteil über Traiskirchen: „Wir stecken in einer der herausforderndsten Zeiten für Europa“, sagt er, „das ist keine momentane Krise, die vorbeigeht, das ist eine schwere Krise, die so lange dauern wird, wie die Kriege und Konflikte dauern werden.“ Europa stehe in dieser Frage den Ländern, die hauptsächlich betroffen sind, zur Seite, so Avramopulos. Und sagt 5,4 Millionen Euro Soforthilfe für Österreich zu. Diese Summe soll in die Verstärkung der Aufnahmekapazitäten und in die Administration fließen, um Asylanträge schneller abzuarbeiten.

Nächster Schritt der EU? Warten, bitte

Wie es politisch weitergeht? Man wolle den Druck von der Balkan-Route nehmen, dazu sei eine Konferenz im Oktober angesetzt. Auch wiederholt er den Plan, Hotspots an den EU-Außengrenzen zur Registrierung, Verteilung und/oder Abschiebung zu errichten. Und schließlich werde die EU ihre Asyl-Regeln überdenken. „Demnächst beginnt ein Prozess der Überprüfung der Dublin-Abkommen“, kündigt er an. Der Prozess beginne erst? Sei das nicht ein wenig spät? „Zwei Monate sind keine lange Zeit, wir werden jetzt nicht hasten. So lange die Dublin-Abkommen in Kraft sind, müssen sie auch eingehalten werden“, sagt der Kommissar. Bevor er sich gemeinsam mit Mikl-Leitner auf den Weg zu einer Schlepper-Kontrolle in Bruck an der Leitha macht. Mikl-Leitner kündigt indes an, die Polizei werde nun wieder stichprobenartig kontrollieren – aber verhältnismäßig vorgehen. Und wiederholt ihre Forderung nach Solidarität der EU-Staaten, nach einer Schutzzone um die Krisenregionen oder verbesserte Lebensbedingungen in den Lagern der Region: „Eine Herkulesaufgabe.“

Ein erster Schritt könnte zumindest bald geschehen. „Weil ihr ja immer fragt, was die News sind: Schon in einer Woche werdet ihr den nächsten Schritt Richtung mehr Solidarität und Effizienz in Europa sehen.“ Details dazu verrät Avramopulos nicht.

Themenforum: Die Flüchtlingskrise ist auch eine Chance für Österreich und Europa, weil…

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2015)

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