Die ÖBB sorgen sich um den Betrieb ihrer Bahnhöfe

Fl�chtlingskrise Fl�chtlinge Wien Westbahnhof 15 09 2015 Fl�chtlinge warten auf die Weiterreise
Fl�chtlingskrise Fl�chtlinge Wien Westbahnhof 15 09 2015 Fl�chtlinge warten auf die Weiterreise(c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Die Bahn ist für Flüchtlinge das wichtigste Verkehrsmittel. Der Rückstau, der durch die Grenzkontrollen in Deutschland entstand, gefährdet nun die Sicherheit in den Bahnhöfen.

Wien. Auf den großen Bahnhöfen Österreichs wird es langsam eng. So eng, dass sich die ÖBB zur Wahrung der Betriebssicherheit und zum Schutz des eigenen Netzes ernsthafte Sorgen um ihre wichtigsten Verkehrsknotenpunkte machen. In einem ersten Schritt wurden nun zeitweise Zugangsbeschränkungen zu den Bahnsteigen des Wiener Hauptbahnhofes installiert. Am Dienstagnachmittag waren ähnliche Maßnahmen auch für den Wiener Westbahnhof in Ausarbeitung. Laut ÖBB ist dieser Schritt notwendig, um ein Funktionieren der eigenen Infrastruktur auch weiterhin gewährleisten zu können.

Der Sinn von Zugangskontrollen zu Bahnsteigen erschließt sich erst auf den zweiten Blick. Je mehr Menschen sich auf einer Plattform befinden, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass im Gedränge Personen auf die Gleise fallen oder diese bewusst überqueren. Für den sicheren Betrieb einer Bahn, für die viel längere Bremswege gelten, und bei der auch die lebensgefährlichen Stromleitungen eine Rolle spielen, ist das ein bedrohliches Szenario. Wenn sich Menschen, so wie jetzt, auf Bahnsteigen versammeln, teilweise sogar dort übernachten, wird es kritisch. Hinzu kommt, dass sich, ausgelöst durch die Grenzkontrollen in Deutschland, ein regelrechter Stau auf den heimischen Bahnhöfen aufgebaut hat.

Kettenreaktion befürchtet

Bahnsteigsperren wären in einem solchen Fall unvermeidlich. Problematisch an einer solchen Maßnahme ist aber, dass eben solche Sperren in der Sekunde ihrer Umsetzung Kettenreaktionen auslösen würden, die das Gesamtsystem Bahn zum Kollabieren bringen könnten. Die dichte und zeitlich präzise eingeteilte Nutzung der beschränkten Zahl an Bahnsteigen würde bei Sperren sofort zusammenbrechen, zu erheblichen Verspätungen oder Totalausfällen von Zügen führen. Die Auswirkungen wären entlang der gesamten Strecke der betroffenen Verbindung zu spüren. Anschlussverbindungen inklusive.

Aus diesem Grund gibt es an den großen Wiener Bahnhöfen nun erstmals Zugangsbeschränkungen zu den Bahnsteigen. Am Hauptbahnhof erhalten die ÖBB dabei Unterstützung der Polizei. Ein Durchkommen bis auf die Plattform soll nur für Reisende mit Ticket – und sonst niemanden – möglich sein. Die Bahnhofsgebäude selbst bleiben jedoch öffentlich zugänglich.

Um die sensiblen Bahnhöfe vor Überlastung zu schützen, bleibt die Zugverbindung zwischen Wien und Budapest weiterhin eingestellt. Dennoch erreichten am Dienstag deutlich mehr Personen Haupt- und Westbahnhof, als ihn verließen. Das hat nach Beobachtungen der Bahn auch damit zu tun, dass immer mehr Flüchtlinge von wohlmeinenden Privatpersonen per Pkw zu den Stationen gebracht werden oder selbstständig in Sammeltaxis anreisen.

Planbarkeit wichtiger als Pünktlichkeit

Ein weiterer Grund, warum es sich gerade von Wien aus in Richtung Salzburg drängt, ist, dass diese Fernverkehrsverbindung von gerade einmal 32 Zügen pro Tag bedient wird. Weil sich die Flüchtlinge auf eben diesen Verbindungen konzentrieren, erklärt das, warum wenige tausend Personen mehr einen Logistikkonzern an die Kapazitätsgrenze treiben, der Tag für Tag 1,3 Millionen Kunden befördert.

Die Kontrollen in Zügen nach Deutschland dauerten nach ÖBB-Angaben im Schnitt 90 Minuten. Ein Zeitverlust, den viele Züge auf ihrem Weg – zum Beispiel nach Frankfurt oder Saarbrücken – wieder aufholten. Züge, die von Tirol aus nicht mehr über das Große Deutsche Eck, sondern über Zell am See geleitet wurden, verloren zum Teil mehr Zeit, als die Kontrollen der deutschen Bundespolizei gebraucht hätten. Allerdings dauerten diese, wie zahlreiche Beispiele in Freilassing bei Salzburg zeigten, unterschiedlich lange. Für die Aufrechterhaltung eines geregelten Netzbetriebes nehmen die ÖBB deshalb auf dieser Strecke bewusst den in manchen Fällen langsameren Weg in Kauf. Anders als die Kontrollen der deutschen Polizei ist die Verspätung, die sich durch den Umweg über Zell am See auftut, nämlich exakt planbar. Was bedeutet, dass sich Fahrgäste im weiteren Verlauf der Strecke zumindest einigermaßen auf die Fahrzeiten ihres Zuges verlassen können.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2015)

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