Asyl: Nationalrat beschließt Durchgriffsrecht des Bundes

Justizminister Brandstetter, Innenministerin Mikl-Leitner, Kanzleramtsminister Ostermayer und FPÖ-Chef Strache
Justizminister Brandstetter, Innenministerin Mikl-Leitner, Kanzleramtsminister Ostermayer und FPÖ-Chef Strache APA/ROBERT JAEGER
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Um den Gemeindebund zu besänftigten, gab es kleine Änderungen. Die FPÖ schäumt, SPÖ und ÖVP beharren auf "außerordentliche Maßnahmen".

Der Nationalrat hat am Mittwoch das Verfassungsgesetz zur Unterbringung von Flüchtlingen mit klarer Mehrheit beschlossen. Neben SPÖ und ÖVP stimmten in der namentlichen Abstimmung auch Grüne und Neos dafür, dem Bund ein Durchgriffsrecht gegenüber Gemeinden zu gewähren. Während der Debatte wurden noch einzelne kleinere Änderungen eingebracht, um den Unmut vor allem des Gemeindebunds zu dämpfen. So wurde etwa vereinbart, Bürgermeister mindestens eine Woche vor der Unterbringung von Asylsuchenden zu informieren.

Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, dass der Bund in Ländern, die Quotenvorgaben in der Grundversorgung nicht erfüllen, Quartiere schaffen kann, ohne dass dies etwa durch baurechtliche Kniffe verhindert werden kann. Als Grenzwert werden hier 1,5 Prozent der Bevölkerung in einer Gemeinde angenommen. Allerdings kann diese Zahl per Verordnung auch erhöht werden, sollten das entsprechende Flüchtlingsströme notwendig machen. An sich zielt die Regelung auf die Kommunen direkt ab. Gemeinden können innerhalb eines Bezirks aber auch einen anderen Verteilungsschlüssel finden, sofern so die nötige Zahl an Unterbringungsmöglichkeiten erreicht wird.

Errichtet der Bund in säumigen Gemeinden bzw. Bezirken Unterkünfte, dürfen in diesen nicht mehr als 450 hilfs- und schutzbedürftige Asylwerber untergebracht werden. Stehen gleichwertige Grundstücke in mehreren in Betracht kommenden Gemeinden zur Verfügung, sind vorrangig solche in Kommunen zu nutzen, deren Einwohnerzahl 2000 übersteigt. Das Gesetz tritt vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrats noch diese Woche mit 1. Oktober in Kraft und ist bis Ende 2018 befristet. Ebenfalls angenommen wurde ein Initiativantrag, der die Bekämpfung des Schlepperwesens effektiver machen soll.

Abgelehnt wurde indes ein freiheitlicher Antrag auf Volksabstimmung zum Durchgriffsrecht.

"Außerordentliche Situation, außerordentliche Maßnahmen"

Vor der Abstimmung wurde heftig debattiert: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache warf der Bundesregierung vor, die Last „ihres Unvermögens, Amtsmissbrauchs, ihrer Gesetzesbrüche“ nun auf Länder, Gemeinden und Bürger abzuladen - und erhielt dafür einen Ordnungsruf. Sein Vorbild, machte Strache weiter, sitze in Budapest: „Ich sage Respekt für (Ungarns Premier Viktor) Orban, der die eigene Bevölkerung vor illegaler Masseneinwanderung schützt.“ Ungarn halte als einziges Land die EU-Regeln ein. Er schäme sich für Kanzler Werner Faymann (SPÖ), den das Vorgehen der ungarischen Behörden an den Holocaust erinnert hatte.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder warf Strache daraufhin eine Themenverfehlung vor. „Es geht bei dem Gesetz um eine gerechte Aufteilung und Unterbringung der Flüchtlinge“, denn derzeit würden die meisten Gemeinden keine Asylwerber beherbergen. Es gehe aber nicht „um eine Kriminalisierung von Bürgermeistern“. Auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl betonte: „Außerordentliche Situationen erfordern außerordentliche Maßnahmen.“ Nie zuvor in der Zweiten Republik hätten über 100.000 Menschen Österreichs Grenze passiert und es wenige Stunden darauf wieder verlassen. „Dass darauf die derzeitigen Regelungen nicht eingestellt sind, versteht sich von selbst“, so Gerstl.

Team Stronach-Klubchef Robert Lugar erklärte: „Kanzler Faymann ist schuld an dieser Situation.“ Denn dieser habe dafür gesorgt, dass Gesetze nicht eingehalten würden, wofür Österreich und 18 weitere Länder nun geklagt würden. Dem konterte Nikolaus Scherak, Verfassungssprecher der Neos: „Sie müssen schon richtig zitieren.“ So bemängle die EU-Kommission in Österreich lediglich die unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinie über Asyl-Aufnahmebedingungen.

„Es braucht menschenwürdige Unterkünfte, weil es einfach kalt wird und Zelte nicht beheizbar sind“, richtete Grünen-Chefin Eva Glawischnig der FPÖ aus. Auch den Vorwurf eines unsauberen parlamentarischen Verfahrens ließ sie nicht gelten: „Das war ein Ergebnis mehrerer Klubs und ich sage: Das ist ein gutes Ergebnis.“ Dass die FPÖ dennoch Ungarn als mustergültig bezeichne stoße ihr mehr als sauer auf: „Mit heutigem Tag ist an der ungarischen Grenze sogar der Schießbefehl erteilt – ist das ihr Vorbild?“, wetterte Glawischnig.

Internationale Dimension, europäische Redebeteiligung

Vor der Debatte hatte der Nationalrat die internationale Dimension der Flüchtlingskrise debattiert, und zwar erstmals mit Beteiligung von Europaparlamentariern. Die Bruchlinien zwischen den Fraktionen waren dennoch keine neuen: Während sich SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos für europäische Lösungen aussprachen, plädierten FPÖ und Team Stronach für geschlossene Grenzen.

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(hell/APA)

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