Faktencheck: "Gefahr für öffentliche Sicherheit"

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Seit Mittwoch ventilieren Medien ein Arbeitspapier des Innenministeriums zur Flüchtlingskrise. Demnach sei die Polizei nicht mehr Herr der Lage. Wirklich?

Wien. Die Lage scheint ernst zu sein. Die hohe Zahl der Flüchtlinge binde Kräfte. Der Polizei drohten Personalknappheit und die Gefahr, dass die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit“ nicht mehr gewährleistet werden könne, sowie „interethnische und interreligiöse Konflikte unter den Migranten und faktische Außerkraftsetzung der gesetzlichen Strukturen“.

So steht es in einem Arbeitspapier des Innenministeriums, das der Bayerische Rundfunk am Dienstag veröffentlichte und dessen Inhalt u.a. die „ZiB2“ des ORF und die „Kronen Zeitung“ – offenbar ungeprüft – übernahmen. Ist der Polizei die Lage also tatsächlich entglitten?

Richtig ist, dass die Exekutive im Burgenland und in der Steiermark seit Wochen am Limit arbeitet. In grenznahen Bezirken ist es derzeit mehr die Regel als die Ausnahme, dass Beamte anstatt eines Verkehrsdienstes mit Flüchtlingsthemen aller Art zu tun haben. Die angespannte Personallage äußerst sich im Assistenzeinsatz des Militärs, den das Innenministerium anforderte. Derzeit bekommt die Polizei in den Bundesländern Burgenland, Steiermark, Kärnten und Salzburg im Zuge der Grenzsicherung Hilfe von 1390 Soldaten (Stand: Donnerstagnachmittag).

Dennoch ist der Eindruck, der durch die Veröffentlichung des „Geheimpapiers“ (BR) oder „Lageberichts“ (ORF) entstand, falsch. Was nämlich niemand dazusagte: Der Inhalt der Unterlage bezieht sich auf das hypothetische Szenario, was passiere, wenn mit einem Schlag plötzlich 250.000 Flüchtlinge aus den Lagern im Libanon oder der Türkei ins Land kämen. Diesen Worst Case durchzuspielen war Aufgabe der Arbeitsgruppe für Risikoanalyse. In der Gruppe vertreten sind Mitarbeiter des Ministeriums selbst (Abteilungen für Einsatzangelegenheiten sowie Grenzkontrollen), des Bundeskriminalamts (Büro für Schlepperei und die Abteilung für strategische Analyse), das operative Zentrum für Schengen-Ausgleichsmaßnahmen und – als Flughafenpolizei – das Stadtpolizeikommando Schwechat.

Entstanden ist die dreiseitige Unterlage am 10. September nach einem Treffen der Gruppe. Wegen der engen Kontakte mit der deutschen Polizei gelangte das Papier nach München (und – wohl über ein Leck – zum Bayerischen Rundfunk), wo der Großteil jener Flüchtlinge landet, die im Osten Österreichs die Grenze überschreiten.

Apropos: Der Zustrom aus Ungarn nahm am Donnerstag wieder zu. Zwischen Mitternacht und 14Uhr kamen allein im Burgenland 5323 Personen nach Österreich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2015)

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