ÖVP-Klubchef Lopatka verlangt vom Koalitionspartner mehr Kooperation. Schärfere Asylgesetze seien ein Signal nach außen: „Eines hat ein Flüchtling immer: ein Mobiltelefon.“
Die Presse: Wurschtelt die Regierung dahin, wie es Vizekanzler Reinhold Mitterlehner nennt?
Reinhold Lopatka: Die Regierung braucht mehr Bewegung. Und da ist die SPÖ gefragt.
Die Regierung besteht doch aus zwei Koalitionspartnern.
Bei uns ist die Bereitschaft da: In der Verwaltung, beim Arbeitsmarkt und bei den Pensionen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer braucht sich nur die Budgetzahlen der vergangenen Jahre anzusehen, um zum Schluss zu kommen, dass es Bewegung braucht.
Was unternimmt die ÖVP? Stellen Sie ein Ultimatum bis zum Arbeitsmarktgipfel?
Es geht nicht um ein Ultimatum. Wir erwarten uns, dass die drei wahlfreien Jahre vor uns für intensives Regieren genutzt werden.
Im Umkehrschluss: Die vergangenen zwei Jahre wurden nicht dafür genutzt.
Nein. In einzelnen Bereichen sind uns durchaus Reformen gelungen. Aber es gibt eben andere Bereiche, in denen wir Bewegung brauchen.
Ist die ÖVP als Juniorpartner zu schwach, um Reformen in der Koalition durchzusetzen?
Für Reformen braucht es Partner. Manchmal sogar mehrere – etwa die Bundesländer. Es geht nicht darum, sich mitzuteilen, wie stark oder wie schwach jemand ist.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid zeigt sich von den Äußerungen Mitterlehners unbeeindruckt: Die ÖVP sei schlicht vor der Wien-Wahl nervös.
Das geht ins Leere, das möchte ich nicht einmal kommentieren. Man sieht: Wie der Schelm denkt, so spricht er. Er hat die Wiener Wahl am 11. Oktober im Kopf. Uns geht es um den Tag danach.
Weil die Chancen der ÖVP in Wien ohnehin begrenzt sind?
Die Aufgabe der Bundesregierung ist es, auf Bundesebene die notwendigen Reformen voranzutreiben. Eine Woche vor der Wahl kann ohnehin niemand dramatische Änderungen herbeiführen.
Ein Punkt, bei dem die Koalition eine Linie sucht, ist Asyl. Mitterlehner will hier „nachschärfen“.
Wer Schutz sucht, soll ihn auch bekommen. Wirtschaftsmigration ist kein Asylgrund. Der entscheidende Punkt unseres Aktionsplans ist Asyl auf Zeit.
Demnach soll der Flüchtling innerhalb der ersten fünf Jahre zurückgeschickt werden, wenn der Asylgrund entfällt. Das ist bereits jetzt möglich.
Das, was bisher die rare Ausnahme war, soll zur Regel werden: Nach drei Jahren soll generell überprüft werden.
Wozu ein neues Gesetz für etwas, das schon möglich ist?
Um das Signal hinauszuschicken. Das, was wir hier machen, spricht sich schnell herum. Auch wenn ein Flüchtling nichts hat, eines hat er immer: ein Mobiltelefon.
Also eine Gesetzesänderung als Abschreckung?
Nein, zur Klarstellung.
Dafür könnte man auch die jetzige Regel nutzen.
Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Die Praxis spricht sich herum.
Die ÖVP will nach drei bzw. fünf Jahren den Asylgrund überprüfen. Glauben Sie, dass sich die Lage in Syrien und Afghanistan in diesem Zeitraum beruhigt?
Ich halte das für möglich, wenngleich es eine riesige Herausforderung ist. Es muss gelingen, dem Wahnsinn des IS-Terrors ein Ende zu setzen.
Beim UNHCR Österreich ist man skeptisch, dass dies in einer so kurzen Zeit möglich ist.
Das muss aber das Ziel sein. Die entscheidende Frage ist: Was schaffen die USA, Russland, was unternimmt die Staatengemeinschaft?
Dass es das Ziel sein muss, ist klar. Aber nach fünf Jahren wird Asyl zum Dauerrecht.
Noch einmal: Die jetzige Regelung braucht eine Nachschärfung. So wie es jetzt ist, kann es kein Dauerzustand sein.
Die ÖVP will auch den Familiennachzug für Flüchtlinge verschärfen. SPÖ-Verteidigungsminister Gerald Klug erteilte dem Plan aber eine Absage.
Dann muss der Herr Verteidigungsminister Klug sehen, wie er das der Bevölkerung erklärt. Wenn die Anzahl der Asylwerber steigt, erfordert auch die Finanzierung diese Nachschärfung.
Wenn die SPÖ hart bleibt – kommt dann der Punkt, an dem Sie sagen: Es reicht?
Die SPÖ wird dem öffentlichen Druck nachgeben.
Das bedeutet?
Die SPÖ wird sich bewegen – sicher. Auch, weil Deutschland diesen Weg einschlägt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)