Die ÖVP will sich auf Online-Kampagnen konzentrieren. Dazu holt sie sich Hilfe vom Medienguru der Republikaner. Er fordert: weniger Plakate, mehr Mails.
Wien. Die ÖVP, zumindest auf Bundesebene, scheint die Wien-Wahl am Sonntag bereits abgehakt zu haben: Die Gedanken in der Lichtenfelsgasse kreisen schon um die nächste Nationalratswahl. Die soll planmäßig zwar erst 2018 stattfinden. Aber erstens weiß man nie, wie lange die Regierung noch weiterwurschteln wird (© Reinhold Mitterlehner). Und zweitens kann man sich nie früh genug auf den nächsten Wahlkampf vorbereiten.
Bundesgeschäftsführer Gernot Blümel will in Zukunft Soziale Medien und das Internet allgemein stärker in Kampagnen einbinden. Einerseits, weil der Abstand zwischen allen Parteien immer geringer wird – und dadurch jede einzelne Stimme mehr Wert ist. Andererseits, „weil den Parteien immer weniger Geld zur Verfügung steht“. Man muss also billigere Wege finden, die Bevölkerung zu erreichen.
Dafür holte sich die ÖVP prominente Unterstützung: Vincent Harris, Republikaner und als „Medienguru der Grand Old Party“ bekannt, besuchte die Partei in Wien und hielt ein Seminar für Funktionäre ab. Der 27-jährige Texaner arbeitete zuletzt an der Online-Kampagne des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und des möglichen US-Präsidentschaftskandidaten, Rand Paul.
Harris zeigte sich etwas erstaunt, wie viel Geld die Österreicher in Plakate und Dreieckständer investierten. Und verkündete gleich sein vernichtendes Urteil: „Die Outdoor-Werbung liegt im Sterben.“ Denn sie würde nicht den individuellen Wähler ansprechen – sondern die breite Masse. „Du sprichst also die Hälfte der Zeit mit Leuten, die dich hassen.“
Online sei dies nicht der Fall: Durch das Suchverhalten und andere Informationen könne man gezielt Werbung an Sympathisanten adressieren. Parteien sollten sich vor allem auf einen Kommunikationsweg konzentrieren: das E-Mail. „Das ist die älteste Form der Online-Kommunikation, aber immer noch die wichtigste.“ Die Volkspartei kennt etwa noch nicht die Online-Kontaktdaten aller 600.00 Mitglieder. Diese müsse man erst sammeln.
„Nur nicht erwischen lassen“
Auch für einen anderen Bereich sei das Netz wie geschaffen: Schmutzkübelkampagnen, die Harris – ganz PR-Experte – lieber „Kontrast-Kampagnen“ nennt. „Wenn ein Kandidat öffentlich den Gegner angreift, schadet das beiden Personen“, sagt er. Wenn man im Netz etwas Negatives über den Kontrahenten verbreite, könne man diesen Effekt vermeiden. Ungefähr die Hälfte des Online-Budgets könnte durchaus darin investiert werden. Voraussetzung: „Nur nicht erwischen lassen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)