Österreichs Zaun könnte Dominoffekt auslösen

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epaselect SLOVENIA CROATIA REFUGEES MIGRATION CRISIS(c) APA/EPA/MAJA HITIJ (MAJA HITIJ)
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Präsident Fischer zeigt Verständnis für Pläne, eine Absperrung bei Spielfeld zu bauen. Slowenien entscheidet demnächst über den Grenzzaun. Der Ton zwischen Berlin und Wien wird schärfer.

Wien/Berlin. Am Montag, dem Nationalfeiertag, versuchte Heinz Fischer noch zu besänftigen: Österreichs Bevölkerung solle sich in die Lage der Flüchtlinge versetzen. Es sei keine anonyme Masse, die durch das Land ziehe. „Sondern einzelne Menschen mit individuellen Schicksalen.“ Zwei Tage später wählte der Bundespräsident allerdings ungewohnt deutliche Worte: Österreich sei „an die Grenzen der Kapazitäten gestoßen“, sagte Fischer während seines Besuchs im Kosovo. Allein die tausenden Menschen, die durch Österreich nach Deutschland marschierten, „schaffen große organisatorische und logistische Probleme“. Was nun besonders wichtig sei, sei, die „Außengrenzen besser zu kontrollieren“ und eine gerechte Verteilung auf die europäischen Länder zu erreichen.

Und: Auch für die Pläne von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), eine „kilometerlange Sperre“ bzw. einen Zaun an der slowenisch-österreichischen Grenze zu errichten, zeigt das Staatsoberhaupt Verständnis: Österreich „ist ein Land, das viel Geschichte mit Flüchtlingen“ hat, momentan „ist es aber eine Quantität, die wir noch nie gehabt haben“, sagte Fischer am Mittwoch in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina.

Mit ihrer Ankündigung könnte Mikl-Leitner einen Dominoeffekt auslösen. In Slowenien kam am Mittwoch der Nationale Sicherheitsrat zu einer Krisensitzung zusammen. Wie „Die Presse“ erfahren hat, soll in Kürze darüber entschieden werden, ähnliche Maßnahmen wie Österreich zu ergreifen, wenn Wien seine Ankündigung wahr macht. Premier Miro Cerar erklärte, seine Regierung sei bereit, den Flüchtlingsstrom mit „allen möglichen Mitteln“ einzudämmen, sollte sich die Lage verschärfen. Das schließe die Option ein, „technische Barrieren“ oder einen Zaun an der Grenze zu Kroatien zu errichten. Belgiens Expremier Guy Verhofstadt warf Österreich vor, „Schengen von innen zu zerstören“.

Deutscher Innenminister geißelt Wien

Angesichts der neuen Rekordzahlen von Flüchtlingen liegen die Nerven auf allen Seiten blank. Die scharfe Kritik Bayerns an Österreich griff am Mittwoch mit Innenminister Thomas de Maizière erstmals auch ein Mitglied der deutschen Bundesregierung auf: Österreichs Verhalten sei „nicht in Ordnung“. „Ohne jede Vorwarnung“ habe Österreich Flüchtlinge nach Eintritt der Dunkelheit „unvorbereitet und ohne jede Vorsorge“ an die Grenze gebracht. Wien müsse sofort zu einem geordneten Verfahren zurückkehren.

Das deutsche Massenboulevardblatt „Bild“ berichtete unter der Schlagzeile „So trickst uns Österreich aus“ von einem syrischen Flüchtling, der in Österreich um Asyl habe ansuchen wollen und nach Deutschland weitergeschickt worden sei. Solche Vorfälle passierten „seit Wochen“ ständig.

Noch vor der Kritik de Maizières hat die bayrische Polizei Österreich vorgeworfen, mehr Flüchtlinge als angekündigt an die Grenze zu bringen. Laut Informationen der „Presse“ wurden Anfang der Woche hunderte Flüchtlinge unangekündigt mit Bussen an die Grenze gekarrt. Im Innenressort wehrt man sich gegen die Vorwürfe aus Deutschland: „Tausende Menschen kommen nach Österreich, haben aber nur ein Ziel: Deutschland.“ Das Land nehme aber weniger auf, als ankommen würden. Konkret: Nur 50 Menschen pro Stunde. „Dann organisieren sich die Flüchtlinge eben selbst, um über die Grenze zu kommen.“ Daher der Appell an Deutschland: „Wir brauchen mehr Übernahmen.“

Während sich die Landespolizei Oberösterreich mit Kollegen aus Bayern zu einer Krisensitzung traf, kamen immer mehr Menschen nach Spielfeld: Im Sammelzentrum befanden sich am Abend rund 6000 Flüchtlinge. Bis zu 2000 sollten über Nacht in Transitquartiere untergebracht werden.

Zäune: Nötiges Mittel zur Grenzsicherung oder Zeichen gescheiterter Politik? Diskutieren Sie mit im Themenforum!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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