Deutschland übernimmt 7200 Flüchtlinge am Tag

Statt dem Grenzübergang Oberndorf ist nun Kufstein ein Übergabepunkt. Spielfeld soll über Kärnten entlastet werden.

Wien.Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich beim Weitertransport von Flüchtlingen wird immer enger und koordinierter. Und damit auch planbarer. „7200 Flüchtlinge übernimmt Deutschland ab heute täglich von Österreich“, sagt Klaus Jäger, Oberst beim Bundesheer und Chef der Verkehrsleitzentrale. Sie koordiniert unter Aufsicht des Bundesheers den Weitertransport der Flüchtlinge in der Alpenrepublik. Am Wochenende hatte Deutschland erklärt, dass die Flüchtlinge ab sofort nur mehr an fünf Grenzübergänge von einem Land ins andere Land übergeben werden. Die Zahl 7200 setzt sich aus den stündlichen Übernahmen pro Grenzübergang  an einem Tag (24 Stunden) zusammen.

„An vier Grenzübergängen werden 50 die Stunde übernommen und in Salzburg-Freilassing sind es hundert die Stunde“, sagt Jäger. Ob die Kontingente stündlich von den Deutschen eingehalten oder gegen Abend mehr übernommen werden und in der Nacht gar keine, werde sich erst zeigen.

Kuftstein statt Oberndorf

Wobei es bei den Grenzübergängen selbst noch eine Änderung gab. Am Wochenende hieß es seitens Deutschland und Österreich noch, dass es sich bei den Übergabepunkten um die Grenzübergänge Kollerschlag, Braunau und Schärding in Oberösterreich sowie Salzburg-Freilassing handelte. Neu sollte der Grenzübergang in der Stille-Nacht-Gemeinde Oberndorf (auf der deutschen Seite liegt Laufen) ebenfalls im Bundesland Salzburg hinzukommen. Doch das dürfte in Salzburg im letzten Moment verhindert worden sein. Trotz Ankündigung der deutschen Polizei am Montag, dass in Laufen demnächst Zelte aufgestellt werden. Den Bürgermeister von Oberndorf, Peter Schröder (SPÖ), dürfte es freuen, war er doch kein Fan von dem Projekt. „Die Grenze befindet sich genau in der Ortsmitte. Überall ist Wohngebiet. Das ist nicht der ideale Standort“, sagte er am Montag zur „Presse“.

Der Ersatz für Oberndorf liegt nun in Kufstein. „Das ist jetzt der neue  Übergabepunkte“, bestätigte ein Sprecher der Landespolizeidirektion Tirol der „Presse“. Allerdings nicht direkt an der Grenze, sondern am Kufsteiner Bahnhof. Das sei mit Deutschland so ausgemacht. „Die Menschen werden aus den Notquartieren hergebracht, und dann von den Deutschen per Bahn nach Deutschland gebracht. So wie es aussieht, wird das auch in Zukunft über den Bahnhof weiterlaufen“, erklärt der Sprecher. Je nach Quote werden mal mehr, mal weniger übernommen. „Im Moment sind wir bei 50 die Stunde“, sagt er.

Erhöhte Kapazität in Salzburg

Dass in Salzburg-Freilassing 100 Menschen die Stunde übernommen werden, dürfte übrigens damit zu tun haben, dass für Freilassing im ersten Moment die Kapazitäten aufgestockt wurden, um Oberndorf zu verhindern. Nun ist es bei der erhöhten Kapazität geblieben. 

Auch in Oberösterreich hat sich der Weitertransport geändert. Wenn auch nur minimal. Während Anfang der Woche die Flüchtlinge noch bis zur deutschen Grenze gebracht wurden, sie dann aber selbst zu Fuß darübergehen mussten, fährt nun bei den drei Grenzübergängen Kollerschlag, Braunau und Schärding der österreichische Bus die wenige Meter über die Grenze bis zur deutschen Übergabestelle. „Der Bus wird von einem deutschen Polizeiauto eskortiert“, erzählt Jäger von der Verkehrsleitzentrale.

Die wenigen Meter zeigen symbolisch gut, wie sehr sich die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Deutschland in der Praxis verbessert hat.

Bis zu 7000 Flüchtlinge nach Österreich

Je nachdem wie viele Flüchtlinge nun täglich nach Österreich kommen, kann auch ein Rückstau, der sich in Österreich beim Weitertransport gebildet hat, abgebaut werden. Wobei es bei Spitzen (in den nächsten Tagen könnten es laut Prognosen wieder mehr Flüchtlinge pro Tag geben) einen Verhandlungsspielraum mit den Deutschen gebe. „Kommen mehr, dann bekommen wir als Transportleitzentrale eine neue Höchstkapazität pro Grenzübergang vom Innenministerum  - alles in Absprache mit Deutschland“, sagt Jäger von der Verkehrsleitzentrale. In den vergangenen Tagen kamen immer zwischen 5000 und 7000 Flüchtlinge nach Österreich.

Im Bundeskanzleramt, wo Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) derzeit mit seinem deutschen Pendant Peter Altmaier (CDU) ein Konzept für ein gemeinsames Polizeizentrum in der Flüchtlingsache erarbeitet („Die Presse“ berichtete), will man die neuen Übergabestellen sowie die stündlichen Übergabekontingenten übrigens noch nicht bestätigten. Ungeachtet dessen, dass das System schon längst läuft. Wohl aus Rücksicht auf Deutschland. Morgen findet eine Sitzung mit allen deutschen Länder-Chefs statt, wo das Thema besprochen wird.

"Entlastung in Spielfeld"

Während der Weitertransport nach Deutschland damit entschieden verbessert läuft, wird auch im Süden Österreichs versucht, den Grenzübergang Spielfeld zu entlasten. „Wir haben heute den Auftrag erhalten, täglich 1800 Flüchtlinge vom Karawankentunnel weiterzutransportieren“, sagt Jäger. So würde Slowenien auf Wunsch von Österreich täglich 1800 Flüchtlingen mit dem Zug (oder dem Bus) zum Bahnhof Rosenbach in Kärnten bringen. Von dort werden sie in Österreich wie gehabt verteilt. „Das führt zwangsläufig zu einer Entlastung in Spielfeld“, so Jäger. Davor kamen in Kärnten deutlich weniger Flüchtlinge von Slowenien aus an.

Bayern bereitet Klage vor

In Deutschland sorgt das Thema Flüchtlinge jedenfalls für durchaus heikle innenpolitische Auseinandersetzungen: Bayerns Ministerpräsident, Horst Seehofer (CSU), bereitet eine Klage gegen die deutsche Regierung vor. Laut Berliner „Tagesspiegel“ hat die CSU-Staatsregierung den früheren Verfassungsrichter Udo di Fabio beauftragt zu prüfen, ob die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung an den deutschen Grenzen in verfassungswidriger Weise Bayerns Staatlichkeit gefährdet.

Auch in Österreich sorgt das Thema für Reibungen innerhalb und zwischen den Parteien – wenn auch noch niemand Rechtsmittel in Erwägung zieht. Bundeskanzler Werner Faymann nutzte eine Bezirksfunktionäretagung im Osttiroler Lavant dazu, um seine Funktionäre bei dem Thema noch einmal zu beschwören. Er gab ein Bekenntnis zu „Ordnung und Menschlichkeit“ ab – und er wies die Forderung der FPÖ nach einem „lückenlosen Zaun mit gewaltbereiten Kontrollorganen“ zurück.

"Schrecke mich vor dem Wort Zaun nicht"

Die FPÖ, in Person von Bundeschef Heinz-Christian Strache und Steiermarks Landeschef, Mario Kunasek, war am Mittwoch in Spielfeld. „Ich habe den Eindruck, es ist besser organisiert als an vergangenen Tagen“, meinte Kunasek zur „Presse“. Dass es aber Maßnahmen zur besseren Kontrolle brauche, betonte er erneut. „Ich schrecke mich im Gegensatz zu anderen auch vor dem Wort Zaun nicht“, meint er. Es brauche allerdings keinen Stacheldrahtzaun, sondern die Überwachung der grünen Grenze. Eine politische Lösung müsse her.

Zumindest in diesem Punkt ist er auf einer Linie mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser meldete sich via „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zu Wort – und zwar mit äußerst harten Worten: In der EU gebe es mittlerweile einen „totalen Kontrollverlust“. Das derzeitige Asylsystem sei außerdem ein „Schlepperförderungsprogramm“, das auch nicht dazu geeignet sei, den „Ärmsten der Armen zu helfen“.

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