Mikl-Leitner: "Ein Zaun ist nichts Schlechtes"

Über die Flüchtlingskrise diskutieren Johanna Mikl-Leitner, Thomas Oppermann, Hans-Peter Friedrich und Andreas Lipsch.
Über die Flüchtlingskrise diskutieren Johanna Mikl-Leitner, Thomas Oppermann, Hans-Peter Friedrich und Andreas Lipsch.(c) Screenshot: ARD, Anne Will
  • Drucken

Eine ARD-Debatte, viele Fronten: Die Innenministerin verteidigte Pläne für "bauliche Maßnahmen". Unions-Fraktionsvize Friedrich und SPD-Fraktionschef Oppermann warfen ihr vor, gegen "Dublin" zu verstoßen.

Es war eine Debatte mit vielen Fronten, die Mittwochabend im deutschen Fernsehsender ARD ausgestrahlt wurde. Zu Gast in der Sendung von Anne Will waren neben Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) der Pfarrer Andreas Lipsch sowie die deutschen Politiker Thomas Oppermann, seines Zeichens SPD-Fraktionschef, und Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich.

Die beiden Letzteren bildeten auch sogleich eine Front gegen die österreichische Politikerin. Denn, so der Vorwurf, gesprochen von Friedrich: „Momentan herrscht Rechtlosigkeit, weil Österreich sich nicht an das Dublin-Verfahren hält.“ Oppermann ergänzte: „Sie schieben die ja nicht nach Slowenien zurück, sondern sie schicken sie nach Deutschland weiter", betonte er. Mikl-Leitner wehrte ab: Die Republik nehme sehr wohl Asylanträge entgegen und auch an. „Wenn man sich die Zahlen ansieht, dann sieht man: In Österreich kommen auf 1000 Einwohner 6,5 Asylanträge, in Deutschland sind es auf 1000 Einwohner 3,8 Anträge.“

Überhaupt brauche das Nachbarland nicht Österreich den schwarzen Peter zuschieben: „Wenn ich signalisiere, es wird kein Syrer mehr zurückgebracht in andere europäische Länder, dann ist das natürlich eine Sog-Wirkung“, kritisierte Mikl-Leitner. Oppermann richtete sich auf: „Wäre es Ihnen lieber gewesen, man hätte die Flüchtlinge weiter in den sicheren Drittstaat Österreich zurückgeschoben?“ Die Innenministerin darauf: „Solche Ansagen machen auch Hoffnungen und da muss schon einmal einer herkommen und auf die Stopp-Taste drücken und sagen: Wir haben das nicht so gemeint.“ Und: Jeder Flüchtling, der in Österreich einen Asylantrag stelle, müsse auch damit rechnen nach Slowenien oder Kroatien zurückgeschoben zu werden. Um wieviele es sich dabei konkret handelt, konnte Mikl-Leitner aber nicht sagen.

Dublin-Abkommen

Das Dublin-Verfahren regelt unter anderem, dass Asylbewerber in dem Land registriert werden, in dem sie die Europäische Union betreten. In dem Verfahren wird der Staat festgestellt, der für den Asylantrag zuständig ist. Damit wird sichergestellt, dass jeder Asylantrag nur von einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft wird. Stellt sich im Gespräch mit dem Antragsteller heraus, dass der Antrag in einem anderen Mitgliedstaat zu bearbeiten ist, ergeht ein Übernahme- oder Wiederaufnahmeersuchen an den betreffenden Mitgliedstaat. Stimmt dieser zu, erhält der Antragsteller hierüber einen Bescheid.

In dieser Verordnung wird zudem festgehalten, dass ein Asylbewerber in dem EU-Mitgliedstaat seinen Asylantrag stellen muss, in dem er den EU-Raum erstmals betreten hat.

>>> Dublin-Abkommen

Oppermann: „Der Grund heißt FPÖ“

Auf ihre „Zaunpläne“ angesprochen, verteidigte Mikl-Leitner ihre angedachte „bauliche Maßnahme“: „Ein Zaun ist nichts Schlechtes", betonte sie. Immerhin gehe es nicht darum, dem ungarischen Beispiel nachzueifern, und sich „abzuschotten“, sondern es gehe „um Sicherheit“. Konkret: „Es geht ja nicht darum, jemanden die Einreise zu verweigern", sondern sie besser registrieren zu können, so die Innenministerin. Ein Satz mit dem sich die verbale Front veränderte: Nun erhielt Mikl-Leitner nämlich Rückendeckung von Friedrich: „Ich weiß nicht, was diese Dämonisierung von Zäunen ist." Viele Menschen hätten einen Zaun um ihren Garten. „Das Entscheidendste ist, dass es auch Gartentüren gibt, wo man den reinlässt, den man reinlassen will." Viele Länder hätten Zäune wie Amerika oder Spanien.

Weniger positiv fiel indes Oppermanns Reaktion aus: Der SPD-Politiker sah hinter dem Vorhaben parteipolitische Motive. „Der Grund heißt FPÖ, die Haider-Partei will Österreich komplett umzäunen und sie wollen der FPÖ, die inzwischen bei 30 Prozent liegt, ein bisschen das Wasser abgraben", warf Oppermann der Innenministerin vor. „Aber das werden sie nicht schaffen." Dafür erntete der deutsche Politiker einigen Applaus vom Publikum. Mikl-Leitner erläuterte daraufhin, dass sie durch „Priorisierung" der inneren Sicherheit genau gegen die „Nationalisten" wirken wolle: „Wenn wir dieses Vertrauen verlieren, dann werden sie sich an nationalistische Organisationen oder Parteien wenden, und das will wohl keiner", antwortete die ÖVP-Politikerin.

Mikl-Leitner: "Wir können hier nur an einem Strang ziehen"

Als Will nach möglichen Handhabungen der Krise fragte, erhielt sie unterschiedlichste Vorschläge: Die SPD möchte Einreisezentren auf das Land verteilen. Flüchtlinge, die nicht in diese Zentren gehen, sollen weder Sozialleistungen noch ein Asylverfahren erhalten, lautet der Vorschlag. „Das ist fair, das wird funktionieren“, meinte Oppermann. Denn, wenn er einen Reisepass brauche, dann hole er sich den „auch auf dem Einwohnermeldeamt" und „nicht auf dem Wochenmarkt".

Friedrich pochte dagegen auf grenznahe Transitzonen, wobei er betonte, dass Menschen dort nicht festgehalten würden, sondern: „Die dürfen auch gerne gehen, nur nicht nach Deutschland, sondern - Frau Ministerin! - nach Österreich". Auch hielt er eine abschreckende Wirkung solcher Zentren für legitim – und zwar: „An alle, die glauben, sie könnten einfach mal so nach Deutschland kommen.“ Tatsächlich kämen „Menschen aus Afghanistan aus Gebieten, in denen kein Krieg herrscht.“ Folglich Personen, „die innerhalb ihres Landes auch sichere Bereiche haben und nur in diese sicheren Bereichen können sie auch zurück abgeschoben werden.“

Pfarrer Andreas Lipsch lehnte indes beide Konzepte ab, da er befürchtete, dass es in beiden Fällen darum gehe, „Schutzbedürftige vom regulären Asylverfahren fernzuhalten“. Auch warnte er davor, zu den „sicheren Herkunftsländern“ fortan auch Afghanistan, Bangladesch oder Pakistan zu zählen. Lipsch: „Wir können die ganze Welt zu sicheren Herkunftsländern erklären, dann kann man auch so das Asylverfahren aushebeln.“ Mikl-Leitner betonte, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen im Vordergrund stehen müsste, sonst würden immer mehr Staaten zu „nationalen" Maßnahmen gezwungen sein. Auch warnte sie davor, Österreich und Deutschland auseinanderdividieren zu lassen: „Wir können hier nur an einem Strang ziehen."

Österreich: 56.356 Asylanträge bis September

Von Jänner bis September wurden in Österreich 56.356 Asylanträge gestellt. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Anstieg von 231 Prozent. 2014 gab es von Jänner bis September 17.010 Anträge. Das geht aus der monatlichen Asyl-Statistik des Innenministeriums hervor.

Im Durchschnitt waren 76 Prozent der Antragsteller heuer Männer, wobei dieser Anteil in den letzten Monaten gesunken ist. Im Mai lag der Männeranteil noch bei 83 Prozent. Elf Prozent der Antragsteller (6175) waren unbegleitete Minderjährige, 380 davon unter 14 und 5.795 zwischen 14 und 18 Jahren.

16.595 der 56.356 Antragsteller waren Syrer. Das entspricht einem Anteil von 29,5 Prozent. Die zweitstärkste Gruppe waren Afghanen (12.687 Personen, 22,5 Prozent) gefolgt von Irakern (9.025, 16 Prozent) und Pakistanis (2.825, fünf Prozent).

>>> ARD-Sendung: Ministerin Mikl-Leitner bei Anne Will

Zäune: Nötiges Mittel zur Grenzsicherung oder Zeichen gescheiterter Politik? Diskutieren Sie mit im Themenforum!

(Red./APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.