ÖVP-Frauen zwischen Leid und Leitl

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm beim Festakt am Freitagabend
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm beim Festakt am FreitagabendAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die ÖVP-Frauen fühlen sich übergangen, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist verärgert: Das ergibt neuerdings eine überraschende Allianz in der Volkspartei.

Wien. Anlässlich ihres 70-Jahr-Jubiläums hatten die ÖVP-Frauen am Freitagabend ins Parlament geladen. Bei einem Festakt blickte man in die Vergangenheit zurück und formulierte Zukunftswünsche, um dann festzustellen, dass die Gegenwart wenig Anlass zum Feiern bietet. Die Männerquote in der neuen oberösterreichischen Landesregierung beträgt 100 Prozent. Und die vakanten Spitzenjobs in der ÖVP wurden zuletzt ebenfalls mit Männern besetzt: Gernot Blümel übernahm die Wiener Partei, Peter McDonald wurde Generalsekretär.

Dabei hat man sich erst beim Parteitag im Mai vorgenommen, die ÖVP nicht nur jünger und moderner, sondern auch weiblicher auszurichten. Angesichts der oberösterreichischen Ereignisse erklärte Frauenchefin Dorothea Schittenhelm den Parteitagsbeschluss jedoch für „null und nichtig“ und beklagte sich über die „totale Ignoranz“ der männlichen Kollegen.

Den Wirtschaftskammer-Präsidenten musste sie wenig später aus diesem Pauschalurteil ausnehmen. Denn Christoph Leitl verhalf zunächst Doris Hummer, der abgelösten Landesrätin, zu einem Umstieg in die Sozialpartnerschaft. Sie wird Wirtschaftsbund-Chefin im Land und soll in einigen Jahren auch die Landeskammer übernehmen: „Um die verlorene Ehre des Bundeslandes wiederherzustellen und ein Signal an die Frauen zu senden“, wie Leitl sagte. Diese Woche setzte er nach, indem er Ulrike Rabmer-Koller in den Hauptverband der Sozialversicherungsträger entsandte. Sie soll dort anstelle von Peter McDonald Vorstandsvorsitzende werden.

Präsident als Frauenförderer?

Christoph Leitl, der Frauenförderer? Dafür spricht, dass Hummer und Rabmer-Koller nicht die ersten Frauen sind, deren Karriere Leitl unterstützt. 2004 hatte er seine langjährige Büroleiterin Anna Maria Hochhauser zur Generalsekretärin der Wirtschaftskammer befördert. Hinter den jüngsten Personalentscheidungen stecken allerdings auch andere, persönliche Motive.

In Oberösterreich revanchierte sich Leitl an Landeshauptmann Josef Pühringer, der nach der Wahlniederlage einen Regierungssitz abgeben musste. Die Wahl fiel, mittels interner Abstimmung unter den ÖVP-Bünden, auf Hummer, eine Vertreterin des Wirtschaftsflügels. Pühringer bot ihr danach zwar die Klubführung an, doch das war beiden, Hummer und Leitl, zu wenig.

Im Hauptverband waren andere Gründe ausschlaggebend. Leitl soll nicht erfreut gewesen sein, dass Peter McDonald von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner abgeworben wurde. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig. Einige Kandidaten sagten ab, sodass sich Leitl am Ende gezwungen sah, Rabmer-Koller abzugeben, die er erst vor wenigen Monaten zu seiner Stellvertreterin in der Wirtschaftskammer gemacht hatte.

Da und dort sorgte diese Entscheidung für Verwunderung, zumal die 49-jährige Bauunternehmerin aus dem Mühlviertel noch nicht als Gesundheitspolitikerin aufgefallen war. Am Freitag meinte sie dazu nur: „Es handelt sich um eine Managementfunktion. Und ich bringe Erfahrung als Managerin mit.“ Wobei der Hauptverband nur eine Zwischenstation sein könnte. Leitl, der 2020 nicht mehr für den Kammervorsitz kandidieren darf, soll Rabmer-Koller als seine Nachfolgerin favorisieren. Dafür, heißt es, hätte er sie ja eigens nach Wien geholt.

Im Kernteam der ÖVP sind die Frauen allerdings nach wie vor unterrepräsentiert. In der Bundesregierung gibt es mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Familienministerin Sophie Karmasin nur zwei. Und auch im Nationalrat haben die Frauen, mit 14 von 51 Mandaten, eine absolute Minderheit.

Mitterlehner gelobt Besserung

Schittenhelm nützte den Festakt, um – im Beisein Mitterlehners – ihren Unmut darüber zum Ausdruck zu bringen. Dasselbe will sie am Montag im Parteivorstand tun. Denn die Ärgernisse häufen sich in diesem Jahr. Beim Parteitag im Mai hatten die ÖVP-Frauen zwar ein Reißverschlussprinzip auf den Kandidatenlisten durchgesetzt. Durch das neue Vorzugsstimmensystem wurde diese Regelung aber gleich wieder konterkariert. Immerhin – Mitterlehner versprach Besserung: „Wir brauchen mehr Frauen in der ÖVP und in der Politik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2015)

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