Triumph für eine Schauspielerin

FOTOPROBE KAMMERSPIELE WIEN: ´BLUE MOON - EINE HOMMAGE AN BILLIE HOLIDAY´
FOTOPROBE KAMMERSPIELE WIEN: ´BLUE MOON - EINE HOMMAGE AN BILLIE HOLIDAY´(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Kammerspiele. Sona MacDonald begeistert als Billie Holiday in „Blue Moon“, einer grell-saftigen Hommage von Torsten Fischer an die tragische Jazz-Ikone Billie Holiday.

Endlich ist die Blackfacing-Debatte auch bei uns angekommen: Seit Donnerstag wird auf der Kammerspiel-Bühne eine weiße Schauspielerin schwarz angemalt. Darf man das, oder ist es rassistisch? Die Debatte breitete sich von Amerika und Deutschland aus. „Blackfacing“ wurde sogar Anglizismus des Jahres. In den Kammerspielen verpufft der Effekt. Irritierender ist der Beginn des Abends, ein Vorschlag zur paradoxen Intervention. Man verwende so lange diskriminierende Begriffe wie „Nigger“, „Itaker“ oder „Polack“, bis sich keiner mehr darum kümmert. Nikolaus Okonkwo bestreitet die Eröffnung, er beschimpft das Publikum. Die Zuschauer reagieren nach einer Schrecksekunde eher amüsiert als empört.

Danach geht es los. Regisseur Torsten Fischer, der Opernfans erfreut und in der Josefstadt die „Kameliendame“ als Sprechstück vorstellte, mischt gern Pädagogik und Melodram. Mit der Vita der Jazzsängerin Billie Holiday erzählt Fischer auch die Geschichte der Afroamerikaner, die unfassbar grauenhaft ist – wie etwa in Quentin Tarantinos „Django Unchained“, eben wieder im TV zu sehen, oder, etwas weniger drastisch, in „The Help“ von Tate Taylor zu erleben ist.

Die Probleme sind nicht gelöst, wie jüngste Ereignisse in den USA zeigen: Ein Polizist tötete mit 16 Kugeln einen Teenager, er wurde wegen Mordes angeklagt. Die Beladung einer Hommage an Billie Holiday (1915–1959) mit Historie und deren Bewältigung lädt zu Schwarz-Weiß-Malerei ein, die Wirkung wird verstärkt durch Holidays Biografie: Bevor sie Sängerin war, war sie Prostituierte. Hier ist wohl der Beginn des Raubbaus mit Medikamenten, Alkohol, Drogen zu suchen. Das ist bei Holiday sehr ähnlich wie bei Edith Piaf, die ebenfalls aus desolaten Verhältnissen stammte. Fatalismus ist dennoch nicht angebracht: Holiday war ein Opfer von Rassismus, aber auch von Sucht. Josephine Baker wurde 69, Ella Fitzgerald trotz schwerer Diabetes fast 80. Die heute 73-jährige Aretha Franklin tritt in Talkshows auf und lobt ihre jungen Nachfolgerinnen.

Die Tragödie dominiert

Bei allem Mitgefühl mit Opfern des Rassismus, den es nicht nur in Amerika gibt, sollte man nicht vergessen, dass Kunst und Musik Menschen auch aus ihrem Milieu hinausführt, unabhängig von der Hautfarbe. Fischer und sein Koautor, der Bühnenbildner Herbert Schäfer, lassen der jungen, fröhlichen Holiday, die sich keck und energisch gegen Vorurteile auflehnt und sich keineswegs unterkriegen lässt, obwohl sie nicht nur mit Rassismus, sondern auch mit Machismo zu kämpfen hat, wenig Raum. Zwei Stunden mit einer Pause herrscht die Tragödie vor. Diese erfüllt Sona MacDonald mit einer Palette schillernder Tonfarben und melodiöser Lautmalerei in allen nur vorstellbaren Facetten. Jedes der bekannten Lieder ist ein Gesamtkunstwerk für sich. MacDonald setzt nicht so sehr Holiday ein Denkmal als sich selbst als Jazz-Interpretin: Soul mit Sona, im Sinne von Seele, so könnte man diesen Abend betrachten. Der donnernde Applaus für jede Nummer wirkt absolut verdient – mag auch das hier transportierte Bild einer Frau, die ständig hinter gemeinen Mannsbildern herläuft, heute etwas antiquiert wirken.

Okonkwo als vitaler Verehrer, Misshandler und Erzähler ist gleichfalls großartig. Ebenso die Band (Christian Frank, Herbert Berger, Andy Mayerl, Klaus Pérez-Salado). Jazz-Habitués mögen über dieses kitschige Konzerttheater die Nase rümpfen. Die Premierenbesucher waren begeistert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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