Kalte Progression frisst Steuerreform in nur vier Jahren

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Die Lohnsteuer stieg in den vergangenen Jahren stärker als die Bruttolöhne. Das Nettoeinkommen sinkt, der Staat kassiert fleißig.

Wien. Der Wälzer ist 441 Seite dick und trägt den etwas spröden Titel „Statistik der Lohnsteuer“. Auch wenn ihn nur die wenigsten lesen werden, fast alle spüren ihn. Nämlich dort, wo es besonders wehtut. In der Geldbörse. Die Statistik Austria hat sich die Entwicklung der Lohnsteuer bis 2014 angesehen. Das nicht ganz überraschende Fazit: Seit 2009 steigt die Lohnsteuer stärker als der Bruttolohn. Und somit bleibt den Österreicherinnen und Österreichern im Schnitt weniger netto übrig. 2014 stiegen die Bruttobezüge um 2,8 Prozent auf 177,4 Milliarden Euro. Die Lohnsteuer stieg in diesem Jahr aber gleich um 4,7 Prozent auf 26,9 Milliarden.

Das wird sich ab 1. Jänner ändern. Da greift die Steuerreform. Und alle Lohnsteuerzahler werden entlastet – mit Ausnahme jener 358 Topverdiener, die mehr als eine Million Euro Jahresgage kassieren. Sogar jene knapp 2,4 Millionen Menschen in dem Land, die so wenig verdienen, dass bei ihnen gar keine Lohnsteuer anfällt, bekommen ein bisschen mehr netto vom Brutto.

Das Problem ist nur: Jedes Jahr steigen die Gehälter und Löhne, weil ja schließlich das Leben auch teurer wird. Diese Inflation ist aber nicht in den Steuertarifen abgebildet. Die Steuersätze bleiben starr, scheren sich nicht darum, dass das Geld weniger wert wird. Diese kalte Progression macht die Steuerzahler ärmer, den Finanzminister aber freut's. 2014 nahm er mehr als 27 Milliarden Euro an Lohnsteuer ein. Sie ist längst seine größte Einnahmequelle. Die Umsatzsteuer machte im Vorjahr 25,4 Milliarden aus.

Gerechter wäre es, darüber sind sich auch viele Politiker einig, würden die Grenzen der Steuertarifstufen der Inflation angepasst. Wir passen ja schließlich unsere Mieten und Versicherungsbeiträge auch alle paar Jahre der Inflation an. Warum also nicht auch die Lohnsteuer? Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer meint: „Für den Finanzminister geht das auf jeden Fall nach hinten los.“

(c) Die Presse

Steuerreform wirkt bis 2019

Die Statistiker haben sich nämlich ausgerechnet, was es den Fiskus gekostet hätte, hätte er bereits 2009 begonnen, die Steuertarife an die Inflation anzupassen. Ergebnis: Er hätte bis 2013 um 5,6 Milliarden Euro weniger im Staatssäckel gehabt.

Zur Erinnerung: Die kommende Steuerreform bringt eine Entlastung von knapp fünf Milliarden, davon entfallen 4,5 Milliarden auf die Senkung der Lohnsteuertarife. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling weiß, dass die Steuerreform spätestens im Jahr 2019 von der kalten Progression wieder aufgefressen sein wird. Er will in den kommenden Monaten allerdings ein Modell präsentieren, mit dem künftig die kalte Progression abgefedert werden soll.

Lohnnebenkosten senken

Was bei der Debatte allerdings mitunter vergessen wird: Die Belastung des Faktors Arbeit hängt nicht nur mit der Lohnsteuer zusammen. Aktive Arbeitnehmer haben 2014 etwas mehr als 20 Milliarden Euro Lohnsteuer gezahlt, allerdings entfielen auf den Faktor Arbeit weitere 50 Millionen an sonstigen Abgaben, etwa Sozialversicherung und Lohnnebenkosten. Die Abgabenquote liegt deshalb bei 44 Prozent. Ohne Lohnsteuer lag sie 2014 für einen Privatangestellten mit durchschnittlichem Einkommen auch schon bei fast 37 Prozent.

Zaghaft geht die Regierung nun auch die Lohnnebenkosten an, will durch eine Senkung des Insolvenzentgeltsicherungsfonds und des Familienlastenausgleichsfonds bis 2018 knapp 800 Millionen Euro an Entlastung zusammenkratzen. Eine Senkung der Beiträge für Arbeiter- und Wirtschaftskammer ist nicht geplant. Und die Sozialpartner müssen die kalte Progression auch nicht fürchten. Die Beiträge richten sich nach Umsatz bzw. Bruttolöhnen. Sie steigen somit jedes Jahr mit der Inflation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)

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