Asyl: Hilfsorganisationen schlagen Alarm

PRESSEREISE CARITAS INLANDSHILFE: NOTQUARTIER BACHOFENGASSE IN WIEN (!!! ACHTUNG SPERRFRIST BIS 18:00 !!!)
PRESSEREISE CARITAS INLANDSHILFE: NOTQUARTIER BACHOFENGASSE IN WIEN (!!! ACHTUNG SPERRFRIST BIS 18:00 !!!)(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Die großen Hilfsorganisationen sehen einen „Zusammenbruch“ des Systems und legen ein Konzept vor, wie Grundversorgung, Unterbringung und Integration wieder funktionieren soll.

Wien. „Das Aufnahmesystem ist zusammengebrochen.“ So drastisch formulieren die führenden Hilfsorganisationen Österreichs ihren Aufruf, die Flüchtlingsarbeit in Österreich umfassend zu reformieren. Seit Wochen würden Menschen, die in Österreich einen Asylantrag stellen, entweder in die Obdachlosigkeit entlassen oder in „unzumutbaren“ Notquartieren untergebracht – in der Diakonie spricht man von 7000 quasi Obdachlosen, die in Zelten oder Hallen hausen, teils ohne Zugang zu Duschen.

Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund und Volkshilfe haben nun ein gemeinsames Konzept ausgearbeitet, wie das Aufnahmesystem „wieder in Gang“ kommen soll. Dieses soll heute, Dienstag, im Detail vorgestellt werden. Es sei, so heißt es von der Diakonie, ein umfassender Plan: etwa mit einem Vorschlag, wie das System der Grundversorgung komplett neu aufgestellt werden könnte. Auch gehe es um Integration, Bildung, Familienzusammenführung, um Arbeitsplätze oder Wohnraum.

„Raus aus Hallen und Zelten“

Einer der zentralen Kritikpunkte der Hilfsorganisationen ist freilich die Unterbringungssituation: Asylsuchende sollen so schnell wie möglich adäquat untergebracht werden – sprich: raus aus den Hallen und Zelten. Derzeit leben 7500 Aslywerber in Grundversorgung in Transitquartieren, die eigentlich nur für eine Übergangsphase gedacht wären. Wenn, wie aktuell erwartet, heuer 90.000 und kommendes Jahr 120.000 Asylanträge in Österreich gestellt werden, brauchte es eine gemeinsame Kraftanstrengung, um Obdachlosigkeit zu verhindern. Mittlerweile sei die akute Notsituation ein permanenter Zustand geworden – und einer, der für die Organisationen auf Dauer nicht tragbar sei. „Neben der Quartiersituation geht es angesichts der Zahlen an Anträgen auch um handfeste Integrationsmaßnahmen“, sagt etwa Thomas Marecek vom Roten Kreuz.

Die Hilfsorganisationen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt äußern auch Kritik an der Asylrechtsnovelle – Stichwort Asyl auf Zeit oder Erschwernisse bei der Familienzusammenführung. Dadurch erwarte man einen negativen Effekt auf die Integration von Zuwanderern.

Erst kürzlich haben Hilfsorganisationen anlässlich des Tages des Ehrenamtes Bilanz über den Flüchtlingseinsatz seit Anfang September gezogen: Vom Roten Kreuz wurden in den drei Monaten 570.000 Flüchtlinge betreut. 70.000 Menschen wurden medizinisch versorgt, 1,5 Millionen Essensportionen ausgeteilt, 50.000 Feldbetten, 400.000 Decken und zehn Tonnen medizinisches Material gestellt – das Rote Kreuz spricht vom größten Hilfseinsatz Österreichs. Durchschnittlich seien pro Tag 500 Rotkreuzhelfer im Einsatz gewesen, 250 davon Freiwillige vom Team Österreich. Bei der Caritas haben 15.000 Freiwillige in der Flüchtlingsbetreuung mitgearbeitet. Neben der akuten Flüchtlingshilfe betreut die Caritas mehr als 31.000 Asylbewerber in Grundversorgung.

An Kosten für die Betreuung seit September haben die Hilfsorganisationen dem Innenministerium bereits 32,1 Mio. Euro gemeldet. Die NGOs geben ihre Kosten Anfang jedes Monats dem Innenministerium bekannt und bekommen sie für das Vormonat rückerstattet. Im September waren es 14,5 Mio. Euro, im Oktober 10,5 Mio. Euro, im November schließlich 7,1 Mio. Euro, die Rotes Kreuz, Volkshilfe, Arbeiter-Samariterbund, Caritas, Train of Hope oder Kinderfreunde gestellt haben. Die Fortsetzung dieses Prozederes wurde auch schon für das gesamte Jahr 2016 vereinbart.

2016: Konzept statt Notbetrieb

Auch beim gemeinsamen Appel der Helfer an die Politik soll es um eine angemessene Bezahlung der Hilfsorganisationen gehen, heißt es. Der Staat sei schnell beim Bestellen von Leistungen – beim Bezahlen aber weniger. Man könne nicht immer die Kastanien aus dem Feuer holen, wenn Politik und Verwaltung träge seien, heißt es. Es müsse, so mahnen die Helfer, für das kommende Jahr ein Konzept entworfen werden, damit die Hilfe besser funktioniert. (cim)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

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