Hofburg-Wahl: Ich bin's, dein Präsident

Hofburg
Hofburg(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wir basteln uns einen Bundespräsidenten: Was muss er mitbringen, wie sollte er wirken, was kann er von den Vorgängern lernen? Ein Versuch.

Als Mauricio Macri, der neu gewählte argentinische Staatspräsident, im Dezember 2015 sein Amt antrat, tat er etwas für seine Landsleute Ungewohntes: Er gab unzählige Interviews und hielt Pressekonferenzen ab. Seine Vorgängerin, Cristina Fernandez de Kirchner, hatte dergleichen nicht getan – es gab weder Interviews noch Pressekonferenzen. Dafür stundenlange Reden und Verlautbarungen im staatlichen Fernsehen, zudem bespielte sie noch ihren Twitter-Account mit ihren Ansichten.

Kommt einem irgendwie bekannt vor? Ja. Bundespräsident Thomas Klestil pflegte seinerzeit Interviews, wenn überhaupt, dann nur dem Nachrichtenmagazin „News“ zu geben, und da auch nur einem bestimmten Journalisten, Alfred Worm. Als Heinz Fischer das Amt in der Hofburg antrat, änderte er das umgehend. Der neue Bundespräsident gab reihenweise Interviews, auch nicht so auflagenstarken Blättern, und behielt dies während seiner Amtszeit auch so bei. Es passte zu Fischers Amtsverständnis als Volkspräsident zum Angreifen.

Voraussichtlich am 24. April – Stichwahl vier Wochen später – wählt Österreich einen neuen Bundespräsidenten. Diverse Namen, immer die gleichen nämlich, kursieren: Rudolf Hundstorfer, Erwin Pröll, Alexander Van der Bellen. Fix ist aber noch nichts. Selbst Irmgard Griss muss die nötigen Unterstützungsunterschriften erst sammeln. Wie aber soll ein ideales Staatsoberhaupt nun aussehen?

Nimmt man Anleihe beim Amtsinhaber, stechen zwei Assets hervor: jenes des eingangs erwähnten volksnahen, weitgehend allürenfreien Präsidenten. Und jenes des politischen Profis mit Erfahrung. Nicht zuletzt in Bezug auf das Ausland ist das nicht zu unterschätzen. Heinz Fischer, seit Studentenzeiten in der Politik und danach in vielfältigen Funktionen tätig, kennt viele (spätere) Staats- und Regierungschefs schon lang. Vor allem jene aus sozialdemokratischem/sozialistischem Milieu. Mit dem damaligen kroatischen Staatspräsidenten, Ivo Josipović, plauderte er 2010 beim Staatsbesuch in Zagreb unter anderem darüber, wie sie vor Jahrzehnten in Ottakring Bier trinken waren.

Heinz Fischers gutes Verhältnis zu Wladimir Putin erleichterte etlichen österreichischen Unternehmen den Zugang zum russischen Markt. Mit der Weltpolitik auf Du und Du – das wäre eigentlich auch die Rolle Kurt Waldheims gewesen.

Macht braucht Kontrolle

Allerdings täte auch ein wenig Distanz zum politischen Establishment ganz gut. Trat Fischer oft im Paarlauf mit der Regierung auf, so versuchte Thomas Klestil – anfangs jedenfalls – ein Korrektiv zu sein. Oder in den Worten seiner Kampagne: „Macht braucht Kontrolle“. Klestil hielt dies allerdings nicht durch. Er verhaberte sich zusehends mit SPÖ-Kanzler Viktor Klima und versuchte, Wolfgang Schüssel mit allen zu Gebote stehen Mitteln daran zu hindern, einen Ausbruch aus der rot-schwarzen Koalition zu wagen.

Reisefreudiger Notar

Ein Bundespräsident sollte sorgsam mit der Macht, die ihm auf dem Papier zuteil wird – er kann die Regierung entlassen, ist Oberbefehlshaber des Heeres – umgehen. Er sollte reisefreudig sein, jedoch auch das Aktenstudium nicht verschmähen. Er ist schließlich der oberste Notar der Republik.

Und dann sollte ein Präsident natürlich auch eine moralische Instanz sein. Die Benchmark diesbezüglich: Rudolf Kirchschläger. Der parteifreie vormalige Außenminister in der Regierung Kreisky las auch jener Partei, die ihn nominiert hatte, der SPÖ, die Leviten. Legendär seine Forderung nach dem „Trockenlegen der Sümpfe und sauren Wiesen“ aus Anlass des AKH-Skandals. Wobei man – bei allem Respekt – sagen muss, dass Kirchschlägers moralisierender Ton in Verbindung mit seiner weinerlichen Stimme schon auch nervte.

Im Gegensatz zu Kirchschläger war der amtierende deutsche Bundespräsident, Joachim Gauck, tatsächlich einmal Pfarrer. „Provozieren ohne Provokation“, nannte die „Welt am Sonntag“ im Vorjahr dessen wirkungsvollen Stil. Soll heißen: Er legt die Schwächen der Regierungspolitik offen, ohne sich selbst mit scharfen Worten wichtigzumachen. Und er biedert sich nicht an – nicht den Mächtigen im eigenen Land und in der Welt und auch nicht den Moden der Political Correctness.

„Gauck bringt ein Leben mit“

„Gauck bringt ein Leben mit“, sagte SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel im Jahr 2010 über den evangelischen Pastor und ehemaligen DDR-Bürgerrechtler. Das kann für das Amt eines Bundespräsidenten, auch des österreichischen, jedenfalls nicht schaden.

Und so ist dann auch das Modell Karl Renner nicht ganz zu verachten: Pragmatismus vor Ideologie stellend, Gerissenheit und Schläue, gestützt auf Erfahrung und Menschenkenntnis, zum Staatswohl eingesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2016)

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